Entfuehrung mit Folgen
immer?“, frage ich erbost.
„Was denn?“, will er unschuldig wissen.
„Naja, einfach auftauchen und mich erschrecken!“
„Ach, das meinst du?“, fragt er mit einem kleinen Grinsen und ist auf einmal weg.
„Haha, das ist nicht lustig.“ Suchend schaue ich mich um.
„Doch finde ich schon“, sagt eine Stimme hinter mir. Wieder drehe ich mich hektisch um meine eigene Achse und sehe ihn grinsend hinter mir stehen.
Mit strafendem Blick schaue ich ihn an, es scheint ihn aber nicht sonderlich zu beeindrucken.
„So ihr beiden Süßen, dann lasst uns mal fahren“, ruft Steve, nimmt sich seine Lederjacke vom Haken und den Autoschlüssel aus einer Schale.
Brav folge ich den beiden mit ins Auto.
Vierzig Minuten schweigsame Fahrt später halten wir in einer heruntergekommenen Gegend vor einem Haus, das so aussieht, als wäre es unbewohnt.
„Da wären wir“, sagt Steve und steigt aus.
„Wollt ihr mir jetzt vielleicht endlich mal sagen, wo wir sind?“, quengele ich.
„Ein alter Bekannter“, winkt Steve ab und läuft voraus.
Wir laufen erst durch einen schäbigen Hintergarten und betreten dann eins von diesen riesigen Häusern, in denen mindestens 20 Wohnungen in der Größe eines Abstellraums sind. Der Aufzug ist defekt und wir müssen in den 18. Stock. Offenbar laufe ich meinen beiden Entführern nicht schnell genug, denn Jason packt mich kurzerhand, wirft mich auf seinen Rücken und rennt los. Aber mit was für einem Tempo!! In weniger als zwei Sekunden sind wir ganz oben und meine Augen vor Schreck geweitet. Ist das gerade wirklich passiert? Jason grinst und ich werfe ihm einen bösen Blick zu.
Niemand hat an der dunklen Holztür geklopft, aber sie geht von alleine auf. Ein dunkelhäutiger, alter Mann steht dahinter und schaut uns drei mit einem prüfenden Blick an. Dann nimmt er Steve wahr und sein Gesicht hellt sich minimal auf.
„Kommt rein“, sagt er mit einer kratzigen Stimme.
Er führt uns durch den Flur in einen kleinen Raum, der offenbar das Wohnzimmer sein soll. Die Rollladen sind nur einen kleinen Spalt offen und überall hängen Rauchschwaden in der Luft, wahrscheinlich von Räucherstäbchen. Der esoterische Duft, der alles begleitet, beißt in meiner Nase.
Erst jetzt fällt mir auf, dass der Mann eine Art Gewand trägt. Es ist dunkelrot und mit Zeichen und Symbolen verziert.
„Setzt euch“, sagt er und deutet auf etwas, das im Zwielicht wie eine Couch aussieht. Er selbst nimmt auf einem Sessel uns gegenüber Platz.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich den Schädel eines Tieres – Kaninchen? – an der Wand hinter ihm erkennen kann.
Wer ist dieser Mann bloß?
Als hätte er meine Gedanken gelesen, stellt er sich mir vor. „Mein Name ist Azikiwe. Ich bin Schamane, aber die beiden werden dir das sicher schon erzählt haben. Was führt euch hierher?“
Ich räuspere mich. Das wüsste ich auch gerne!
„Eve hier“, Steve deutet auf mich, „ist ein Mensch.“
Grunzend nickt der Schamane, als hätte er das sowieso schon gewusst.
„Trotzdem bin ich nicht dazu in der Lage, ihre Gedanken zu kontrollieren. Und gerade bei ihr ist das wichtig. Ihre Gedanken kann ich aber trotzdem lesen.“ Er weiß also davon.
Azikiwe scheint überrascht. Ohne ein Wort zu sagen, steht er auf und legt seine große Hand auf meinen Kopf. Dabei gibt er merkwürdige Laute von sich und ich spüre ein Kribbeln, das durch meinen ganzen Körper fährt.
„Wer ist deine Mutter?“, fragt er unvermittelt und lässt seine Hand sinken.
„Anne Madsen, wieso fragen Sie das?“, will ich wissen. Was hat das denn jetzt mit meiner Mutter zu tun?
Der Schamane winkt ab und geht auf ein Regal an der Rückwand zu. Ich beobachte, wie er verschiedene Kräuter und getrocknete Blätter aus Behältern nimmt und alle in einen Mörser gibt.
„Es kommt nicht oft vor, dass eine Sterbliche sich den Kräften eines Übernatürlichen Wesens widersetzen kann. Auch ich brauche meine Zeit, um in deinen Kopf zu kommen. Ich gebe dir Tropfen mit, von denen du jeden Tag fünf nehmen musst. In sechs Tagen müsst ihr mich erneut aufsuchen.“
Geschäftig träufelt der dunkelhäutige Mann einige Tropfen Wasser auf das Kräutergemisch und gibt sie letztendlich in eine Vorrichtung mit kochendem Wasser. In einem Röhrchen wird das Destillat aufgefangen. Bei diesem Anblick muss ich an die Herstellung von Alkohol denken und an meinen Kater.
„Haben Sie vielleicht etwas gegen Kopfschmerzen da?“, frage ich den Schamanen vorsichtig. Wissend lächelt er
Weitere Kostenlose Bücher