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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koppel Hans
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Stuhl sitzen, so ähnlich anhören. Sie müssen uns doch wirklich für einen traurigen, in Selbstmitleid versinkenden Haufen halten.«
    Gösta schüttelte den Kopf. Er beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Tisch.
    »Ihr Vater«, sagte Gösta freundlich. »Haben Sie Angst … dass es erblich sein könnte, hätte ich fast gesagt, ich meine, seine Depressionen?«
    Mike schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.
    »Meine Mutter glaubt, dass es der Alkohol war, der meinen Vater umbrachte. Das war ein Teufelskreis. Zum Schluss wusste sie nicht mehr, ob er trank, weil er deprimiert war, oder ob er deprimiert war, weil er trank. Ich trinke nur sehr wenig, da schlage ich mehr nach meiner Mutter. Und solange ich Sanna habe, werde ich wohl nie in diesen Bahnen denken. Niemals. Obwohl ich Papa jetzt gewissermaßen verstehen kann. Ich meine, sein Schmerz war tief und das Leben aussichtslos. Ich verstehe, dass sich Leute umbringen. Ich wünschte mir nur, es wären nicht Leute, die mir nahestehen.«
    »Glauben Sie, dass Ylva sich das Leben genommen hat?«
    »Nein.«
    »Was glauben Sie, ist passiert?«
    »Ich glaube …«
    Er drehte sich um und starrte an die Wand.
    »Ich glaube, dass sie ermordet wurde. Erschlagen. Ein
Sexspiel mit der falschen Person, eine Vergewaltigung, was weiß ich.«
    »Sie glauben nicht, dass sie noch lebt?«
    Mike zögerte.
    »Nein, das tue ich nicht«, sagte er dann.
    »Sie haben keine Hoffnung mehr?«
    Mike schüttelte den Kopf.
    »Sonst würde ich den Verstand verlieren«, sagte er.
    »In beiden Szenarien, die Sie beschrieben haben, geht es um Sex«, meinte Gösta.
    »Darüber haben wir bereits gesprochen«, erwiderte Mike kurz.
    »Über ihr unpassendes Geflirte?«
    »Ja.«
    Mike musste sich anstrengen, um seine Stimme zu dämpfen.
    »Und Sie glauben, dass sie auf diese Weise in die Arme eines falschen Mannes geraten ist?«
    »Ich glaube überhaupt nichts mehr. Ylva ist weg und wird nie mehr wiederkommen. Ich möchte mich nicht mit der Frage aufhalten, was ihr zugestoßen sein könnte.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Gösta.
    Mike ermahnte sich selbst zur Gelassenheit.
    »Haben Sie je einen Angehörigen verloren?«, fragte er schließlich und sah seinen Arzt durchdringend an.
    »Ich hatte eine Tochter«, antwortete Gösta.
    Im Bruchteil einer Sekunde wechselte Mikes Mienenspiel von Aggression zu Verständnis. Gösta sah ihn an.
    »Das ist zwanzig Jahre her. Sie war sechzehn.«

    »Ein Unfall?«
    Gösta schwieg lange.
    »Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagte er schließlich. »Nicht mehr und nicht mit Ihnen. Sie sind mein Patient, nicht umgekehrt.«

41. KAPITEL
    So konnte es nicht weitergehen. Zeitlich begrenzte Vertretungen und einige wenige Artikel. Das einzig Regelmäßige in Calle Collins Leben waren die Rechnungen. Er verwendete mehr Zeit und größere Mühe auf die Arbeitssuche als auf ihre Ausführung. Er brauchte regelmäßige Aufträge, feste Seiten, die er regelmäßig füllen durfte, eine eigene Reportageserie.
    Er begab sich ins Internet und surfte auf der Suche nach einer Idee. Nichts als Tod und Elend. Darum ging es kurz gesagt bei allen Nachrichten: um ungewöhnliche Todesarten.
    Welche Promi-Idioten waren angesagt? Was lief im Fernsehen?
    Was hatte der alte Schauspieler gesagt? Er hatte geschlagen, um nicht selbst geschlagen zu werden. Das einzig Interessante, was er während des Interviews preisgegeben hatte, wollte er natürlich nicht in der Zeitung lesen. Es wäre vermutlich ergiebiger gewesen, die ehemaligen Klassenkameraden des Schauspielers zu interviewen und sie nach ihrem Bild von ihm zu fragen. Die Schuljahre, die Kindheit. Man konnte die Vergangenheit nicht einfach
abschütteln. Deswegen auch Jörgen Peterssons Fixierung auf die Viererbande.
    Die Viererbande, drei von vieren tot, nur Ylva noch am Leben. Jedenfalls soweit er wusste. Vielleicht sollte er sie interviewen? Überschrift: Meine Freunde sterben früh!
    Nach einem solchen Artikel würde sie nicht mehr viele Freunde haben.
    Andererseits traf das ja auf viele zu, wer kannte nicht jemanden, der zu früh gestorben war? Eigentlich gar keine schlechte Idee, eine Reportage-Serie über Menschen, die in jungen Jahren aus dem Leben gerissen worden waren und schockierte, trauernde Angehörige und Freunde zurückließen. Unter was für einer Überschrift könnte so was laufen?
    Völlig unerwartet. Nein, nein, nein. Etwas mehr Tränendrüse. Sie tanzte nur einen Sommer? Lieber nicht. So vergeht ein Tag in

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