Enthuellung
Gespräch mit Jacob kaum beendet, als ich eine E-Mail von Mark mit dem Betreff »Riptide« erhalte. Sofort bin ich auf der Hut. Es geht um das berühmte Auktionshaus, das sich im Besitz seiner Familie befindet. Er weiß, wie gern ich für Riptide arbeiten würde, und ist zu klug, um nicht außerdem zu wissen, wie unbehaglich ich mich nach dem Ausgang unseres Gesprächs gefühlt habe. Ängstlich klicke ich die Nachricht an.
Ms McMillan:
Riptide plant in zwei Monaten eine Auktion, und ich lege eine Liste der Gegenstände bei, die der Öffentlichkeit angeboten werden sollen, zusammen mit den Schätzwerten. Das sollte Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, wie sehr das Einbetten eines Kunstwerks in eine solche Auktion seinen Wert beeinflussen kann. Es mag Ihnen verdeutlichen, warum Sie wollen sollten, dass Kunden oder Künstler, die einzigartige Stücke ihrer Sammlungen veräußern wollen, Riptide als Forum dafür wählen. Überdies bedeutet die Tatsache, dass unsere Galerie als Agent für ein Versteigerungsobjekt auftritt, eine Aufwertung und damit einen Grund für die Spitzenklientel, hier einzukaufen, und für Künstler, ihre Werke hier auszustellen.
Betrachten Sie dies als Einladung, Werke auszusuchen, die in diese bevorstehende Auktion passen würden. Sollten Sie Erfolg haben, werden Sie eingeladen, das Ereignis zu besuchen. Darüber hinaus werden Sie eine beträchtliche Provision für den Verkauf bekommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Bossman
Der Humor, den Mark beweist, indem er mit »Bossman« unterzeichnet hat, kann mein Unbehagen über das Timing der Nachricht nicht mindern. Mark wühlt widerstrebende Gefühle in mir auf. Ich respektiere seinen Erfolg, und ich habe sein fürsorgliches Verhalten mir und seinen anderen Angestellten gegenüber erlebt. Es bildet einen klaren Gegensatz zu dem, wie der Mann, von dem Chris beharrlich behauptet, dass es Mark sei, in den Tagebüchern beschrieben wird. Mein Blick wandert zu dem Ölgemälde an der Wand: rote und weiße Rosen von der brillanten Georgia O’Nay, ein Werk aus Marks persönlicher Sammlung, das er in Rebeccas Büro untergebracht hat.
Ich fühle mich an die Rosen erinnert, die Rebeccas Meister ihr geschickt hat, an ihre Worte, nachdem sie sie erhalten hat.
Ich fühle mich bereit zu erblühen, bereit, überall hinzugehen, wohin er mich führt.
Ich habe das Gefühl, dass Mark versucht, mich zu manipulieren, und mein Rückgrat versteift sich. Ich weiß nicht, ob er der Mann aus dem Tagebuch ist, aber ich weiß, dass ich nicht seine Sklavin oder unterwürfig bin. Und ich beabsichtige auch nicht, es zu sein. Allerdings könnte es sein, dass er mich an genau diesen Punkt bringen will. Ich habe das Gefühl, dass es bei diesem Riptide-Angebot um Chris geht, und darum, dass ich nicht gesagt habe, dass ich ihm gehöre. Mark versucht, mich in Besitz zu nehmen. Ich habe es endlich gewagt, meinem Traum von einer Karriere in der Kunstbranche nachzujagen, und er benutzt es gegen mich. Natürlich würde ich anderswo einen Job bekommen, aber die Bezahlung wäre zu gering und so keine Alternative zur Arbeit an der Schule. Ich kann nicht einfach dasitzen und ignorieren, was sein Kalkül für mich bedeuten könnte.
Während ich meinen Schreibtisch umrunde und in den Flur gehe, rasen die Gedanken durch meinen Kopf. Wenn ich zulasse, dass die Furcht davor, dass mein Traum scheitert, mein Handeln bestimmt, kontrolliert Mark mich. Ich habe zu hart daran gearbeitet, selbst über mein Leben zu entscheiden. Und verdammt, wenn dieser Traum für mich nicht wahr wird, muss ich aufhören, mich selbst zu belügen. Je länger ich das tue, desto schmerzhafter wird meine Rückkehr ins Lehrerdasein ausfallen. Ich kann meinen Lebensunterhalt nicht mit dem bestreiten, was ich ohne die Riptide-Provisionen bekomme. Wenn ich es könnte, hätte ich schon vor langer Zeit alles dafür getan, einen Galeriejob zu ergattern.
Meine Sorgen beschäftigen mich die ganze Zeit auf dem kurzen Weg zu Marks Tür, und ich bin nicht überrascht, als ich sie verschlossen vorfinde. Es ist ja nicht so, als würde dieser Mann eine warme und gemütliche Umgebung schätzen. Ich hebe die Hand, um anzuklopfen, und halte inne, während Adrenalin durch meine Adern rauscht. Dieses Mal ist es allerdings kein Hochgefühl. Meine Nervosität macht mich fertig. Es ist eine Schwäche, und ich bin es so verdammt leid, schwach zu sein. Das Gespräch könnte meinen Karrieretraum beenden. Zähneknirschend klopfe ich an und höre
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