Enthüllung
Augenbrauen schnellten nach oben. »Das e r scheint mir ein wenig extrem.«
»Es ist aber so.«
»Also, ich weiß nicht. Mein Mann hat Bronchitis. Er hustet die ganze Zeit.«
»Aber nicht im letzten Augenblick, ganz bestimmt nicht.«
Fernandez dachte, die Gabel unbewegt in der Hand, darüber nach. »Gut, aber sofort hinterher. Da bricht er in einen wahren Hustenanfall aus. Wir lachen dann beide immer darüber.«
»Gleich danach, das ist etwas anderes. Aber in dem Auge n blick, genau in diesem intensiven Moment, von dem ich spreche – da hustet niemand.«
Jetzt kamen weitere Erinnerungen zurück, an die vielen Male früher. Ihre geröteten Wangen. Ihr Hals, ihr Dekolleté, mit roten Flecken bedeckt. Die Brustwarzen nicht mehr hart. Zuerst waren sie hart, dann nicht mehr. Um ihre Augen bildete sich ein dunkler, manchmal violett schimmernder Schatten. Geschwo l lene Lippen. Unregelmäßiger Atem. Schwallartig ausbreche n der Schweiß. Ein Drehen der Hüften, sie verändert den Rhythmus, sie ist angespannt, aber da ist noch etwas anderes, etwas Fließendes. Auf der Stirn bilden sich Falten. Sie stöhnt. Sie beißt. So viele verschiedene Möglichkeiten, aber –»Niemand hustet«, sagte er noch einmal.
In diesem Moment empfand er plötzlich eine starke Verl e genheit; er zog den Teller wieder zu sich und begann von den Nudeln zu essen. Er brauchte einen Grund, nichts mehr sagen zu müssen; irgendwie hatte er das Gefühl, die Regeln übertreten zu haben, er spürte, daß es diesen Bereich noch immer gab, dieses Wissen, dieses Bewußtsein, von dem jeder behauptete, es existiere nicht …
Fernandez sah ihn neugierig an. »Haben Sie das irgendwo gelesen?«
Er schüttelte den Kopf und kaute weiter.
»Unterhalten sich die Männer über so was?«
Er schüttelte wieder nur den Kopf.
»Die Frauen schon.«
»Ich weiß.« Er schluckte. »Auf jeden Fall hat sie gehustet, und deshalb habe ich aufgehört. Sie hatte sich nicht darauf eing e lassen, und das – ärgerte mich wohl. Ich meine, sie lag da, keuchte und stöhnte, aber im Grunde war sie völlig unbeteiligt. Und ich kam mir …«
»Ausgebeutet vor?«
»Ja, so ähnlich. Manipuliert. Manchmal denke ich mir, wenn sie nicht genau in diesem Augenblick gehustet hätte …«
Sanders zuckte mit den Achseln.
»Vielleicht sollte ich sie einfach mal fragen«, sagte Fernandez mit einer Kopfbewegung zu Meredith hin.
Sanders hob den Blick und sah, daß Meredith auf Fernandez und ihn zukam. »Ach, du lieber Gott!«
»Ruhig, ganz ruhig! Alles ist in bester Ordnung.«
Meredith trat breit grinsend an den Tisch. »Hallo, Louise. Hallo, Tom.« Sanders machte Anstalten, aufzustehen. »Bleib sitzen, Tom, ich bitte dich!« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. »Ich wollte nur kurz mal vo r beischauen.« Sie strahlte übers ganze Gesicht. Sie wirkte tatsächlich wie eine selbstbewußte Chefin, die nur rasch ein paar Kollegen begrüßen will. Sanders sah, daß Garvin, der an seinem Tisch sitzen geblieben war, inzwischen die Rechnung bezahlte, und fragte sich, ob er danach Meredith folgen und auch zu Fernandez und ihm kommen würde.
»Ich wollte nur sagen, daß ich Ihnen nicht böse bin, Louise«, sagte Meredith. »Wir hatten alle unsere Pflicht zu tun, das verstehe ich voll und ganz. Und ich denke, das Ganze hatte durchaus einen Sinn – wir haben reinen Tisch gemacht und können, hoffentlich, von jetzt ab produktiv weiterarbeiten.« Meredith stand hinter Sanders’ Stuhl, während sie das sagte. Er mußte den Kopf drehen und den Hals recken, um sie ansehen zu können.
»Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte Fernandez.
»Na gut, aber nur ganz kurz.«
Sanders stand auf, um ihr einen Stuhl zu holen. Auf die Conley-Leute mußte das Ganze genau so wirken, wie sie es gerne sahen: Die Chefin, die nicht stören will und so lange abwartet, bis sie von ihren Mitarbeitern gedrängt wird, sich ihnen anzuschließen. Als er mit einem Stuhl zurückkehrte, schielte er kurz hinüber und sah, daß Nichols sie über seine Brille hinweg beobachtete. Ebenso der junge Conley.
Meredith nahm Platz. Sanders schob ihr den Stuhl an den Tisch. »Sollen wir irgend etwas für Sie bestellen?« fragte Fernandez fürsorglich.
»Ich habe gerade gegessen, danke.«
»Kaffee? Irgendeine Kleinigkeit?«
»Nein, vielen Dank.«
Sanders setzte sich. Meredith beugte sich zu ihm vor. »Bob hat mit mir gerade über seinen Plan gesprochen, mit der Abteilung an die Börse zu gehen. Ich
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