Entrissen
Eades«, antwortete Phil ruhig, aber bestimmt. »Andernfalls würden wir Sie nicht danach fragen.« Danach sagte er nichts mehr, sondern wartete auf eine Antwort.
Und die kam auch. Eades schien begriffen zu haben, dass sie nicht einfach wieder aus seinem Hotelzimmer verschwinden würden. »Ich war hin und wieder bei Prostituierten ... öfters.«
»Öfters?«, hakte Anni nach.
»Ziemlich oft. Also schön, ziemlich oft. Ja, ich habe für Sex bezahlt. Zufrieden?«
Phil nahm ein Foto aus seiner Jackentasche und reichte es Eades. »Kennen Sie diese Frau?«
Eades betrachtete das Bild der lächelnden Susie Evans. Er runzelte die Stirn. »Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Entfernt ...«
»Hatten Sie je Sex mit ihr?«, fragte Anni. »War sie eine der Frauen, die Sie auf der Straße angesprochen haben?«
Er blickte weiter auf das Foto. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Nicht mein Typ. Aber ich glaube, ich habe sie schon mal gesehen.« Er gab Phil das Foto zurück.
»Sie wurde vor knapp zwei Monaten ermordet«, sagte Phil und steckte das Foto wieder ein.
Eades' Kopf schoss hoch. »Sie glauben, dass es derselbe Täter war wie bei... ?«
»Es ist eine Möglichkeit, die wir in Erwägung ziehen«, sagte Anni.
»Wir ermitteln in jede Richtung«, ergänzte Phil.
Jetzt holte Anni ein Foto aus ihrer Tasche, das sie an Eades weiterreichte. »Und die hier?«
Sobald Eades das Foto in der Hand hielt, war klar, dass er die Person darauf wiedererkannte. Er seufzte, als er es betrachtete.
Phil war die Reaktion des Mannes nicht entgangen. »Sie kennen sie.«
Eades sah nicht auf. »Ja. Ja, ich erinnere mich noch sehr gut an sie.«
»Sie haben sich mehr als einmal getroffen?«, wollte Phil wissen.
»Ja. Regelmäßig. Wir haben uns ... sie hatte eine Wohnung, in die wir immer gegangen sind. Ich habe sie nicht auf dem Strich angesprochen. Manchmal waren wir auch in Hotels. Ja ...« Er verlor sich in der Erinnerung.
»Und würden Sie sagen, dass Sie eine Beziehung zu ihr hatten?«, fragte Anni.
»Ja, das könnte ich so sagen. Wir waren zusammen für ... wir haben uns über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg getroffen.«
»Und worüber haben Sie so geredet?« »Ach, alles Mögliche. Das Leben an sich, meine Familie. Alles.«
»Wieso war irgendwann Schluss?«, fragte Anni.
»Weil ich Erin kennengelernt habe«, sagte er.
Anni verschränkte die Arme vor der Brust. »Und dann mussten Sie nicht mehr dafür bezahlen.«
»Genau.« Als Graeme Eades klar wurde, was er da gerade gesagt hatte, sah er hoch. »So war das nicht gemeint...«
»Schon gut, Mr Eades«, sagte Phil. Er streckte seine Hand nach dem Foto aus.
Eades händigte es nur widerwillig aus. Er seufzte und warf noch einen Blick darauf. »Ach, Sophie«, murmelte er.
Phil und Anni tauschten einen vielsagenden Blick. Dann wandten sie sich zur Tür.
Graeme Eades stand auf.
»Bitte«, sagte er und schien unsicher auf den Beinen zu sein. »Bitte finden Sie mein Baby. Meine kleine Tochter.« Er sah auf. »Es war ein Mädchen, wissen Sie?« Dann sah er wieder weg. »Sie ist die letzte Verbindung mit...« Er brachte den Namen seiner Frau nicht über die Lippen. Er sackte auf dem Bett zusammen und begann zu schluchzen.
Sie ließen ihn mit seiner Trauer allein.
Draußen schüttelte Phil den Kopf, als wolle er Graeme Eades' Stimme und wie er da auf dem Bett gelegen hatte, aus seinem Kopf verbannen.
»Wir müssen sie finden«, sagte Phil. »Und zwar schnell.«
Sie fuhren zurück aufs Revier.
Clayton stand draußen auf dem Parkplatz. Es war bitterkalt, und der Wind, der an seiner Jacke zerrte, roch nach Eis und Schnee. Clayton merkte nichts davon. Er hielt sein Handy ans Ohr gepresst.
»Komm schon«, knurrte er. »Nimm ab ...«
Die Mailbox sprang an. »Hi, hier ist Sophie. Hinterlass mir doch eine Nachricht, ich melde mich dann bei dir. Ganz bald!« Ihre Stimme bei den letzten zwei Worten klang tief und verführerisch und versprach sorglosen Sex. Clayton wusste aus eigener Erfahrung, wie gut diese Stimme funktionierte.
»Sophie, hör zu, ich bin's, Clayton. Ich muss mit dir reden. Sofort. Es ist wichtig. Ich weiß nicht, wo du gerade bist, aber fahr zurück in die Wohnung, wir treffen uns da.« Er legte auf und seufzte.
Scheiße...
Er steckte das Handy weg. Grübelte. Holte es wieder hervor. Er würde es bei sich zu Hause probieren. Vielleicht war sie schon da. Unter der Dusche oder so. Er wählte und wartete, bis er seine eigene
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