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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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einen Blick zurück zum Büro, dann wandte er sich wieder zu Phil. Er stöhnte. »Nicht schon wieder Glasvegas ...«
    »Nein«, sagte Phil und dachte nach. »Es wird Zeit, dass Sie ein bisschen Musikgeschmack entwickeln.«
    Claytons Augen leuchteten auf. »Ja?«
    »Wie wäre es mit Neil Young?« Phil wusste, dass Clayton den Namen noch nie zuvor gehört hatte, es aber nach der Abfuhr von vorhin nicht wagen würde zu protestieren. »Ein Klassiker. Etwas, das unsere grauen Zellen ankurbelt.«
    Clayton schüttelte den Kopf. »Murksen Sie mich lieber gleich ab«, murmelte er halblaut.
    Phil bereitete es eine perverse Befriedigung, Clayton seinen Platz zuzuweisen.
    Sie fuhren nach Colchester zurück, so schnell sie konnten.
     

11
     
    Marina beugte sich über das Waschbecken und erbrach sich zum zweiten Mal. Die eine Hand hatte sie auf den Porzellanrand des Beckens gestützt, mit der anderen hielt sie sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Oh Gott...«, schluchzte sie, während sie darauf wartete, dass die Übelkeit endlich nachließ. »Ich schaff ... ich schaff das nicht...«
    Schwer atmend wartete sie ab, ob sie sich noch ein drittes Mal übergeben musste. Tief einatmen. Anhalten und ausatmen. Noch einmal. Sie seufzte, die Augen geschlossen, und horchte in ihren Körper hinein. Nein, das war alles. Sie hatte ohnehin nichts mehr im Magen.
    Sie öffnete die Augen, drehte den Kaltwasserhahn auf und klatschte sich eine Ladung Wasser ins Gesicht. Dann richtete sie sich auf, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und warf einen prüfenden Blick auf ihr Spiegelbild. Ihre Augen wirkten müder denn je. Und ängstlicher.
    Mit gutem Grund,
dachte sie.
    Automatisch legten sich ihre Hände auf ihren Bauch, während sie versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen.
    Tja,
dachte sie.
Bin ich also doch eine von diesen Frauen, die sich übergeben müssen.
Gleichzeitig wusste sie, dass der eigentliche Grund nicht die Schwangerschaft war. Es waren die Fotos. Auf dem Polizeirevier von Colchester am Southway hatte man sie zunächst in den Empfangsraum begleitet. Der diensthabende Beamte hatte oben angerufen, und DCI Fenwick war heruntergekommen, um sie abzuholen. Er sah noch genau so aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte: edler Anzug, graumeliertes, sorgsam frisiertes Haar. Seine Gesichtszüge waren symmetrisch und gefällig, aber attraktiv im eigentlichen Sinne konnte man ihn nicht nennen. Dazu sah er ganz einfach zu nichtssagend aus.
    Wie er lächelnd auf sie zukam, die Rechte ausgestreckt, erinnerte er sie einmal mehr an einen übereifrigen Klassensprecher, der die neuen Schüler begrüßt.
    Bestimmt ist er wirklieb Klassensprecher gewesen,
dachte Marina.
    »Marina«, sagte er, schüttelte ihr die Hand und ging mit ihr weiter. »Willkommen zurück. Kommen Sie mit. Wir können alles Nötige unterwegs besprechen.«
    Sie passierten eine Doppeltür. Fenwick legte einen zügigen Schritt vor. Sie musste fast rennen, um mithalten zu können. »Wissen Sie«, sagte er, ohne langsamer zu werden, »ohne Sie hätten wir den Gemma-Hardy-Fall nie erfolgreich zum Abschluss gebracht.«
    »Danke.«
Wir wissen beide, was mir das eingebracht hat,
dachte sie.
    Fenwick schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Niemand von uns hätte vorhersehen können, was danach passiert ist. Der Vorfall tut mir außerordentlich leid. Außerordentlich. Ich bin nur so erleichtert, dass der Fall erfolgreich gelöst wurde.«
    Und dass ich seine Abteilung nicht verklagt habe,
fügte sie im Geiste hinzu.
    »Es geht mir schon wieder gut.« Sie war heilfroh, dass sie nicht gleichauf waren und er ihr Gesicht nicht sehen konnte.
    »Freut mich zu hören. Sie wissen gar nicht, wie sehr.« Seine Stimme hatte ein anderes, tieferes Timbre angenommen. Sie kamen durch eine weitere Doppeltür. »Selbstredend wird es diesmal nicht wieder zu so etwas kommen. Darauf gebe ich Ihnen mein persönliches Ehrenwort.«
    Fürst Floskel,
dachte sie. Natürlich. So hatte Phils Kollege Clayton ihn immer genannt. Wie hatte sie das vergessen können?
    »Vielen Dank. Übrigens habe ich Sie auf der Fahrt hierher im Radio gehört«, sagte sie. »Ein Doppelmord? Zwei Frauen?«
    Fenwick nickte. Sie bogen um eine Ecke. »In einer Wohnung in diesem Neubaugebiet. Parkside Quarter. Keine der beiden ist heute Morgen zur Arbeit erschienen. Beide erstochen. Unschön. Sehr unschön, das alles.«
    Marina nickte. Sie war bereits dabei, die Informationen zu verarbeiten und erste Schlüsse zu ziehen. Frauen und

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