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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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immer Sie tun«, sagte Fenwick und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Aber ich muss Sie warnen. Die Tatortfotos ... die sind nichts für schwache Nerven. Glauben Sie mir - wenn ich das schon sage, muss etwas dran sein. Seien Sie also gewarnt. «
    Sie nickte, und er überließ sie ihrer Arbeit. Sie klappte die erste Akte auf, auf deren Deckel »Lisa King« stand, und begann zu lesen. Sie war noch gar nicht bei den Tatortfotos angelangt, als ihr Magen bereits zu rebellieren begann. Ein uniformierter Beamter stellte den Kaffee auf ihrem Schreibtisch ab, und sie trank einen Schluck. Er schmeckte bitter. Sie spürte, wie er in ihrem Magen gurgelte. Sie las weiter.
    Ihr Kopf begann sich zu drehen. Sie schluckte schwer und blinzelte. Nahm die nächste Akte zur Hand: »Susie Evans«. Ihr Atem ging schwerer. Obwohl der Raum groß und offen war, kam er ihr plötzlich entsetzlich eng vor. Sie brauchte dringend frische Luft. Plötzlich machte ihr Magen einen Satz, und sie merkte, wie ihr etwas Saures die Kehle hochkam. Ihre Hand fuhr an den Hals, während sie krampfhaft versuchte, die Galle wieder herunterzuwürgen. Dann warf sie einen Blick auf die Fotos.
    Und wusste, dass sie sich jeden Moment übergeben würde.
     

12
     
    Phil Brennan lenkte den Audi auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus.
    »Kommen Sie«, sagte er zu Clayton, löste den Sicherheitsgurt und stieß die Fahrertür auf. »Wir müssen noch unseren Bericht schreiben. Mal sehen, ob Anni schon zurück ist.«
    Clayton rührte sich nicht. »Gehen Sie schon vor, Boss«, sagte er dann. »Ich muss noch was erledigen.«
    »Was denn? Eine Beschwerde wegen Belästigung einreichen, weil ich Sie gezwungen habe, Neil Young zu hören?«
    Clayton rang sich ein höfliches Lächeln ab. In seinen Ohren hatten alle Lieder, die sie auf der Rückfahrt gehört hatten, gleich geklungen. Es war eine einzige Tortur gewesen. »Ich hab da so eine Idee«, sagte er. Während er sprach, blickte er unruhig umher und vermied es, Phil anzusehen. »Ich hatte das Gefühl, dass mir einer der Typen auf dem Schrottplatz bekannt vorkam.«
    »Wer denn?«
    Clayton stieg aus. »Bin mir nicht sicher. Geben Sie mir ein paar Stunden.«
    »Aber nicht zu lange«, erwiderte Phil.
    »Ja, ich weiß«, sagte Clayton, drehte sich um und ging. »Die ersten vierundzwanzig Stunden sind die wichtigsten. Schon klar.«
    Phil verkniff sich eine scharfe Erwiderung.
Lass ihn gehen,
dachte er bei sich.
Soll er seinen Kopf durchsetzen.
Er betrat das Gebäude und zog seine Ausweiskarte durch den dafür vorgesehenen Schlitz. Er war ungeduldig und angespannt.
    Das hatte nichts damit zu tun, dass er Marina wiedersehen würde, sondern nur mit der Zeit, die unaufhaltsam verrann, sagte er sich.
    Er machte sich auf den Weg nach oben ins Büro.
     
    Marina stand draußen vor der Bar und nahm all ihren Mut zusammen, bevor sie wieder eintrat. Sie wusste, was die anderen von ihr dachten.
    Typisch Zivilistin. Kommt mit dem Druck nicht klar. Soll sie halt zu Hause bleiben. Eine Frau, was will man schon erwarten?
    Sie wusste es genau. Und wahrscheinlich dachten sie es nicht nur, sondern sprachen es sogar laut aus. Normalerweise wäre sie hineingegangen und hätte jeden zur Rede gestellt, der es wagte, ihre Eignung für den Job anzuzweifeln. Aber nicht dieses Mal. Dieses Mal konnte sie ihnen ihre Skepsis nicht verübeln. Dieses Mal war sie genau ihrer Meinung.
    Sie fuhr mit der Hand unter ihren Mantel und streichelte sachte das Kind, das in ihr wuchs. Es mochte nicht geplant gewesen sein, aber der Gedanke, dass ihm - oder ihr - etwas zustoßen könnte, war für sie unerträglich. Bilder wie in den Polizeiakten. Tote Mütter. Tote Babys.
    Sie holte tief Luft, öffnete die Tür und ging hinein. Hier und da hob sich ein Kopf, als sie eintrat, beugte sich dann aber sofort wieder über die Arbeit. Sie trat zu ihrem Schreibtisch, setzte sich hin und nahm sich eine neue Akte vor.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie sah auf. Fenwick stand vor ihr und sah sie mit besorgter Miene an. Rasch blickte sie sich im Raum um. Sah nur mitfühlende Blicke, nirgendwo einen Vorwurf.
    Sie nickte. »Ja. Es ist nur ...«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Niemand verübelt Ihnen Ihre Reaktion. Ich habe ja gesagt, dass es ein schlimmer Fall ist. Ich meine, bestimmt hatte ich schon mit Schlimmerem zu tun, aber ich kann mich nicht erinnern, wann.«
    Wieder nickte sie.
    »Da ist noch etwas«, meinte Fenwick und beugte sich vor. »Jetzt, da Sie die alten Akten

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