Entrissen
dich ordentlich verausgabt?« Clayton sah sie verdutzt an. »Was?« »Beim Sport.«
»Ach so. Ja.« Erneut ein erleichtertes Lächeln. »Klar. Du solltest mal mitkommen.« Sein Lächeln änderte sich, wurde lüstern. »Dann könnten wir zusammen schwitzen. Macht bestimmt Spaß.«
Nun war sie mit einem Lächeln an der Reihe. Dabei hätte sie ihn am liebsten gefragt:
Warum nimmst du nicht Sophie mit? Dann kriegen nicht nur ihre Gesichtsmuskeln ein bisschen Training.
Aber sie riss sich gerade noch rechtzeitig zusammen. Was hätte das gebracht? Nein, es war auf alle Fälle klüger zu schweigen.
»Ich überleg's mir«, sagte sie.
»Gut. Ich freu mich schon drauf.« Wieder dieses Lächeln, als könne Clayton sich bereits genau vorstellen, wie ihr gemeinsamer Sport aussehen würde. Vermutlich erwartete er sogar Dankbarkeit von ihr für sein Angebot.
Nun, er hätte sie besser kennen sollen.
Clayton wollte hineingehen, Anni blieb jedoch zurück.
»Ich komme gleich nach. Ich muss noch was überprüfen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wie du meinst.«
Er wandte sich ab und ging davon. Als er an einer fremden Frau vorbeikam, schenkte er ihr ein breites Lächeln.
Anni schüttelte den Kopf.
Er kann einfach nicht anders,
dachte sie.
Sie wartete, bis Clayton im Innern des Gebäudes verschwunden war. Sie versuchte, sich über ihre Gefühle klarzuwerden und dahinterzukommen, weshalb Claytons Reaktion sie so verärgert hatte.
Sie fühlte sich verschmäht, so viel stand fest. Er hatte sie für Sex benutzt, und obwohl sie versucht hatte, sich einzureden, dass sie mit ihm genau dasselbe gemacht hatte, war sie trotzdem verletzt. Aber wenn das alles gewesen wäre, hätte sie ihn einfach zur Rede gestellt und ihm unmissverständlich klargemacht, was sie von ihm hielt.
Nein, die Sache war komplizierter. Es ging nicht nur darum, dass sie ihn mit einer anderen Frau erwischt hatte. Diese Frau war Zeugin in einem Doppelmordfall, möglicherweise sogar eine Komplizin des Täters. Er hatte Geheimnisse vor dem Team. Ein solches Verhalten konnte den Ermittlungen schaden. Und das durfte sie nicht zulassen.
Sie hatte überlegt, was der beste Weg wäre, mit der Situation umzugehen, und hatte ihm Gelegenheit geben, von sich aus etwas zu sagen. Er hatte die Chance nicht genutzt. Im Gegenteil, obwohl er ganz offensichtlich befürchtet hatte, dass sie ihm auf die Schliche gekommen sein könnte, hatte er ihr dreist ins Gesicht gelogen.
Anni drehte sich um und ging zum Gebäude. Sie hatte sich entschieden: Sie würde etwas sagen, aber noch nicht gleich. Zuerst würde sie versuchen herauszufinden, was es für Verbindungen zwischen Clayton und Sophie Gale gab.
Phil sah sich im Raum um. Die Birdies waren da und Clayton; sogar Computerfreak Millhouse hatte sich kurzzeitig von seinem Rechner losgerissen. Seinen rotgeränderten Augen hinter den schwarz eingefassten Brillengläsern würde es nur guttun. Anni saß an ihrem Schreibtisch, ebenso wie Marina. Auf ihr verweilte sein Blick ein wenig zu lange.
Fenwick hingegen glänzte mit Abwesenheit.
Phil musterte seine Kollegen. Schon jetzt machte sich auf ihren Gesichtern die Anspannung bemerkbar. Sie waren müde und überarbeitet, aber noch mehr machte ihnen der Druck zu schaffen, der auf ihnen lastete. In ihrer gemeinsamen Verantwortung lag es, so schnell wie möglich Ergebnisse zu liefern. Sie mussten einen Killer fassen, ein entführtes Baby finden, und noch dazu wurde jeder ihrer Schritte von den Medien - ganz zu schweigen von der Polizei selbst - genauestens verfolgt.
»Also gut«, sagte er energisch, um sein Team etwas aufzumuntern. »Machen wir es kurz, danach geht jeder seiner Wege. Was haben wir?«
»Überwachungsvideos«, meldete DC Adrian Wren. Er trat zum Fernseher und schaltete ihn ein. Er steckte eine CD in den DVD-Recorder, nahm die Fernbedienung und zog sich einen Stuhl heran. »Die haben wir als Erstes heute Morgen reingekriegt. Schauen Sie.«
Auf dem Bildschirm erschien ein körniges Bild von Claire Fieldings Wohnblock. Es war Nacht.
»Von vorgestern Abend«, erklärte Adrian. »Das hier ist die Zeit, die uns interessiert.« Er fror das Bild ein. Es zeigte eine Gestalt, die an der Seite des Gebäudes entlangging. Es war eine große, stämmige Person in einem bis oben zugeknöpften Mantel und mit einem tief ins Gesicht gezogenen Hut. Adrian ließ den Film weiterlaufen. Die Gestalt ging zielstrebig auf den Eingang des Gebäudes zu, sah sich um, wartete. Erneut stoppte Adrian das
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