Entrissen
gelassen zu beweisen, dass ich eine gute Mutter bin.
Ihr
roten Socken!
Ihr
habt mir ja meine Kinder weggenommen.«
Aus jedem Wort sprach aufgestauter Hass, angesammelt in vielen Jahren der Verzweiflung – Hass auf das System und auf all seine Träger, die ihr Schicksal verschuldet hatten. Selbst ohne nähere Kenntnis ihrer Leidensgeschichte kam es mir in diesem Moment so vor, als spräche Mamas tiefe Verzweiflung auch aus meiner Seele.
Mutti verstand die Botschaft sehr wohl. Auch bei ihr war es nun vorbei mit der höflichen Zurückhaltung. »Natürlich hatten wir unsere Verpflichtungen«, keifte sie aufgebracht zurück. »Aber es ging schließlich darum, aus Katrin einen ordentlichen Menschen zu machen.«
Eher hilflos versuchte mein um Harmonie bemühter Adoptivvater den Familienfrieden zu retten und sagte versöhnlich, an seine Frau gewandt: »Wir müssen uns hier nicht streiten. Schließlich sind wir auf Katrins Wunsch hergekommen. Lasst uns jetzt mal lieber in die Zukunft schauen.«
Damit war die falsche Eintracht endgültig bloßgestellt, und die Gräben lagen offen zutage.
Ich plagte mich mit Selbstvorwürfen. Mein Gott, was hatte ich da nur angerichtet! Ich hatte meine beiden Mütter einvernehmlich in mein Leben integrieren wollen und nun genau das Gegenteil erreicht. Mein Plan war misslungen. Die beiden zerstritten sich allein meinetwegen. Zwei Welten waren bei diesem sonntäglichen Familientreffen aufeinandergeprallt, schier unvereinbare Gesellschaftsschichten und Wertesysteme.
Ich musste mich damit abfinden, dass ich zwei Mütter hatte, zwei Lebensfragmente, die sich nicht zusammenfügen ließen.
»Hört auf, euch zu streiten«, sagte ich nur noch erschöpft, enttäuscht und resigniert, »das hat doch alles keinen Sinn.«
Mama, Mutti und Vati, sie konnten meinen Zwiespalt nicht lösen, sie bauten keine Brücke, die meine inneren Abgründe zu überwinden vermochte.
Ich empfand mich als Auslöser des Konflikts und als Prellbock zugleich, wusste weniger denn je, wo ich mich zugehörig fühlen sollte. Zugleich spürte ich, wie mich die gesamte Situation überforderte. Am liebsten wäre ich davongerannt, dieses komplizierte Gefühlswirrwarr einfach hinter mir lassend. Aber was wäre mir dann für ein Leben geblieben, ohne Halt, ohne Bindung, ohne Bezug? Ich erahnte an diesem Tag zum ersten Mal die schizophrenen Züge meiner Existenz. Den Blick auf die Ursachen, auf die Rolle, welche meiner verflossenen Republik dabei zukam, scheute ich allerdings nach wie vor. Von klein auf hatte ich von den Erwachsenen gelernt wegzusehen und zu verdrängen. Wie sollte ich nun zu ehrlichen Eingeständnissen fähig sein?
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30 .
N ach meinem gescheiterten Brückenschlag herrschte Funkstille zwischen beiden Lagern. Meine Mütter bekämpften sich nicht, sie trugen sich auch nichts nach, sie hatten einfach nichts mehr miteinander zu tun. Keine ließ sich auch nur in einem Nebensatz zu einer Bemerkung über die Gegnerin hinreißen. Wieder begegnete ich auf beiden Seiten diesem verbissenen Schweigen, wie ich es aus meiner Kindheit kannte. Dennoch vermied ich es peinlich, irgendeine Verbindung zwischen meinen widerstreitenden Verwandten herzustellen.
Der direkte Kontakt zu meinen Müttern lockerte sich in der Folge dieser Entwicklungen. Auch mein Bemühen, mit Mirko an unsere enge Geschwisterbeziehung von früher anzuknüpfen, war nicht von Erfolg gekrönt. Unsere Familien trafen sich zwar noch einmal in seiner Wohnung, und ich lernte seine Frau und die beiden Zwillinge kennen. Der Versuch, unser Verhältnis nach all den Jahren auf eine neue Basis zu stellen, scheiterte an Missverständnissen und Verständigungsproblemen. Ich musste einsehen, dass unsere getrennten Wege uns auf Dauer entzweit hatten. So ist es – leider – bis heute geblieben.
Olaf und ich waren mit unseren Kindern inzwischen in die anonyme Weitläufigkeit der Berliner Trabantenstadt Hellersdorf umgezogen. Um nicht vollends auf mich alleine gestellt zu sein, ließ ich mich weiter auf den anstrengenden Versuch ein, mein Leben mit meinem Mann zu teilen. Ich tat es vor allem der inzwischen dreijährigen Julia und dem einjährigen Benni zuliebe, die mir mehr denn je zum Lebensinhalt wurden. Um den beiden Kleinen nicht die familiäre Geborgenheit zu nehmen, versuchte ich so weiterzuleben, als hätte es zwischen uns Ehepartnern nie Verwerfungen gegeben.
Dann trat zu allem Übel auch noch das ein, was uns bereits zu DDR -Zeiten als Menetekel des
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