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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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dunklen Mezzosopran. Sie sang vollkommen ungekünstelt und glockenrein. »She bid me take love easy, as the leaves grow on the tree, but I was young and foolish, and with her did not agree.”
    Clara spielte die Melodie nach und suchte passende Harmonien dazu. Bei der zweiten Strophe begleitete sie Betty und war selbst überrascht, wie ansprechend das Ergebnis klang.
    Die dritte Strophe war eine Wiederholung der ersten. Clara flocht eine zweite Melodiestimme ein, die über der Singstimme lag. Als der Schlussakkord verklungen war, erschrak sie. Das Café, indem zuvor nur die beiden alten Männer ihr Bier getrunken hatten, hatte sich gefüllt.
    »Los, Ladys, macht weiter«, rief ein junger Bursche in einem karierten Hemd. Seine Begleiterin stellte sich hinter den Tresen. »Verschwinde, Jim. Mach, dass du deine Tröte auspackst, eh? Ich übernehme hier.«
    Wenig später fixierte Jim ein Rohrblatt an seinem Saxophon und fragte Clara, ob sie irgendeinen Jazzstandard kannte.
    Sie grübelte. »As Time Goes By?«
    Sie einigten sich auf eine Tonart und legten los. Anfangs hielt Clara sich zurück. Das war nicht ihr Terrain. Sosehr sie Jazz mochte, sie hatte so gut wie keine Übung darin. Ihr Vater hatte ihre Ausflüge in die »schnöde Unterhaltungsmusik«, wie er sie nannte, immer im Keim erstickt. Dieser Song war ihr jedoch so ans Herz gewachsen, dass sie ohne Probleme die richtigen Akkorde fand. Es klang noch nicht elegant genug, aber sie begleitete dezent. Betty sang berührend schön, und Jim war zwar kein Virtuose auf seinem Instrument, aber ein einfühlsamer und patenter Hobbymusiker. Clara konnte sich nicht erinnern, wann ihr Klavierspielen zuletzt so viel Spaß gemacht hatte. Hier ging es nicht um Brillanz, Tempo oder Fehlerlosigkeit, sondern um ein Miteinander. Keiner wollte herausstechen oder den anderen übertrumpfen.
    Die Leute klatschten in die verklingenden Schlussakkorde hinein, der Bursche im karierten Hemd pfiff auf zwei Fingern. Jim klopfte Clara auf die Schulter, Betty schleppte ein dickes Notenheft an und legte es auf das Pult des Klaviers. Das Real-Book, eine Sammlung der wichtigsten Jazzstandards. Keine üblichen Klaviernoten, sondern nur die Melodien der Songs, darüber waren Akkordsymbole notiert.
    Clara schlug sich tapfer. Mit jeder Nummer wurde sie sicherer.
    Sie spielten bis in die Nacht hinein. Als Jim schließlich sein Saxophon weglegte, war es zwei Uhr früh. Erst jetzt merkte Clara, wie müde sie war. Die Aufregung der letzten Tage, der Flug, das stundenlange Musizieren …
    »Du siehst bettreif aus, lass uns schlafen gehen«, schlug Betty vor.
    Clara steuerte das Gästezimmer der Rosenblatts an.
    »Don’t let the bed bugs bite, eh?«, rief Jim ihr nach.
    »Wie bitte? Bettwanzen?«
    Betty lachte. »Das ist die kanadische Art, Gute Nacht zu sagen.«
     
    Wie ein Murmeltier schlief Clara und träumte bunte, wilde Träume prallvoll mit Musik. Leider erinnerte sie sich nicht mehr an Einzelheiten, als der Duft nach gebratenem Speck sie gegen Mittag weckte. Nur ein grooviges M-dschib-m-dschib-widudndau hatte sich in ihrem Kopf eingenistet.
    Nach dem ausgiebigen Frühstück wurde weiter musiziert. Betty und Jim hatten zwei Freunde eingeladen, Ruth, eine quirlige Altenpflegerin, die hervorragend Schlagzeug spielte, und Robert, einen spindeldürren E-Bassisten, der seine Brötchen als Schiffskoch verdiente.
    »Wir sind die Vancouver Klazzmer Band«, sagte Betty.
    »Klazzmer?«
    »Das ist Jazz mit Klezmer-Einflüssen«, erklärte Jim. »Leider hat Pablo, unser Gitarrist, heute keine Zeit. Daher rechnen wir mit dir, Clara.«
    »Aber ich bin keine Jazzmusikerin. Und von Klezmer habe ich erst recht keine Ahnung. Ich würde euch enttäuschen.«
    »Ja, bestimmt. So wie gestern, nicht wahr?« Betty zeigte ihr einen Vogel.
    »Dir fehlt es an Routine. Aber dein Gehör ist eins a, du hast das technische Rüstzeug, von dem wir Amateure nur träumen können, und eine natürliche Begabung für Jazz«, sagte Jim. »Und Spaß macht es dir auch, das kannst du nicht abstreiten, eh?«
    »Riesenspaß, ehrlich gesagt.« Clara nahm auf dem Klavierhocker Platz. »Vielleicht könnt ihr mir zuerst etwas vorspielen?«
    »Okay. Fangen wir mit Betty Blue an, einem Song, den Betty und ich gemeinsam geschrieben haben.«
    Jims Klarinette intonierte eine klagende Melodie, begleitet von Ruths Besen und Roberts Bass. Die Töne, die aus dem schwarzen Stück Holz kamen, klangen wie eine menschliche Stimme.

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