Entscheidung auf Mallorca
draufgegangen. Du kennst doch Peggy. Die beiden sind in das berühmte Luxushotel nach Formentor umgesiedelt …«
»… und der arme Wulf hat sich einen Luxusknacks zugezogen!« Harald schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Aber, Miriam!«
Sie sah ihn flehend an. »Ich weiß, was du denkst: Ammenmärchen! Wenn Wulf aber vor dir stünde, würdest du wissen, daß er etwas erlebt haben muß, mit dem er nicht fertig wird. Er sieht völlig heruntergekommen aus, ist nur noch ein Nervenbündel. Ich kann ihn dir nicht beschreiben. Ganz plötzlich hielt er sich die Ohren zu und stöhnte, als würde er gefoltert. Sein Gesicht verzerrte sich. Ich fragte ihn, was er habe. ›Nichts‹, sagte er. ›Gar nichts.‹ Dann rannte er davon. Glaub mir, mit ihm stimmt etwas nicht. Wir müssen ihm helfen.«
»Den Weg vom Luxushotel zurück zum Alltag zu finden? Nein, Miriam, ich denke nicht daran. Wenn Wulf meiner Hilfe bedarf, soll er kommen und es mir sagen. Ich werde ihm dann schon helfen und Unkameradschaftlichkeit nicht mit Unkameradschaftlichkeit vergelten. Bis dahin …« Er hob die Schultern. »Tut mir leid. Ich würde dir gerne helfen. In diesem Fall kann ich es aber nicht, weil ich den Eindruck habe, daß aus Wulfs Luxuskoller ein Luxusmoralischer geworden ist. Und mit dem soll er gefälligst selber fertig werden.«
Miriam sah Harald entgeistert an. »So hart habe ich dich noch nie erlebt.«
»Ich kann dich nur bitten, es mir nicht zu verübeln und mich zu verstehen«, sagte er, während er seine Pfeife aus der Tasche zog. »Schau, Miriam, neben meinem alten, für hundertsiebzig Mark gekauften Fiat ist dieses Ding hier mein einziger Luxus. Und die Flasche, die da steht, ist der Luxus meiner Mutter. Nach unserem vermaledeiten mallorkinischen Abenteuer habe ich mir geschworen, daß das da«, er wies auf sein Reißbrett, »so lange meine ausschließliche Welt sein soll, bis ich meiner Mutter ein Himmelbett und mir einen zweiten Anzug kaufen kann, damit ich nicht immer …«
Er hat ja so recht, dachte Miriam und bemühte sich zu lächeln. »Und was wird dann dein Luxus sein?«
Harald machte ein verschmitztes Gesicht. »Daheim Bluejeans zu tragen.«
9
Während Miriam und Harald über Wulf sprachen, stand dieser mit ausdrucksloser Miene am Bartisch eines kleinen, in den Abendstunden stets überfüllten Schwabinger Studentenlokals. Das Licht war spärlich. Über den Köpfen der eng zusammengedrängt Stehenden wogte eine fast undurchsichtige Qualmwolke. Die meisten der Studenten hielten eine Bierflasche in der Hand und debattierten heftig miteinander.
»Noch einen Enzian«, sagte Wulf mit schwerer Stimme.
Der Wirt, der dem Aussehen nach Jurist oder Mediziner hätte sein können, machte ein unwilliges Gesicht. »Jetzt sollten Sie aber Schluß machen. Morgen haben Sie einen dicken Kopf, und dann ist es aus mit der Arbeit. Sie kommen doch jetzt in Ihr letztes Semester!«
Wulf leerte das Glas in einem Zuge. »Das geht Sie einen feuchten Kehricht an«, antwortete er lallend. »Vielleicht beruhigt es Sie aber, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich mich mit dem Gedanken trage, mein Studium an den Haken zu hängen.«
»Was soll der Quatsch?«
»Quatsch nennen Sie das? Sie haben’s nötig. Ausgerechnet Sie! Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie Ihr Studium ebenfalls nicht beendet.«
»Das hatte seine Gründe. Im übrigen steht nicht fest, daß ich es nicht noch beenden werde. Bei Ihnen dürften die Dinge …«
»Ich verzichte auf Ihr Privatissimum«, unterbrach ihn Wulf aufgebracht. »Ihr Schnaps ist mir lieber. Los, schenken Sie ein.«
Der Wirt stellte die Flasche zurück. »Ich denke nicht daran! Wenn Sie sich besaufen wollen, müssen Sie anderswo hingehen.«
Wulf sah ihn wütend an und fegte im nächsten Moment etliche Gläser vom Tisch.
Es kam, was kommen mußte: Der Wirt versetzte ihm einen Kinnhaken, und wenige Augenblicke später beförderten ihn einige Studenten auf die Straße.
Zwischen Trunkenheit und Ernüchterung schwankend, torkelte er durch die Nacht. Ich sollte Schluß machen, sagte er sich. Mit allem. Miriam kann ich nicht mehr aufsuchen. Vor Harald habe ich Schiß. Das »Studenten-Café« und den »Hahnhof« wage ich nicht zu betreten, weil die beiden dort sitzen könnten. Überall hab’ ich mich ausgeschlossen. Nur mit Peggy kann ich noch … Er lachte plötzlich wie irre. »Ausgerechnet mit Peggy! Ausgerechnet mit Peggy!« Doch dann blieb er stehen und sagte sich: Ich bin ungerecht. Was
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