Entscheidung des Schicksals
einzuziehen.“
„Mom, ich schwöre, zwischen Addie und mir ist nichts.“
„Ich weiß. Ich glaube dir. Und ich glaube Addie auch“, versicherte sie. „Sie ist übrigens eine erstaunliche junge Frau. Nicht annähernd so furchtsam, wie ich immer dachte. Jedenfalls nicht, wenn es um Menschen geht, die ihr wichtig sind“, schloss sie und warf damit die Angel aus.
Am Ende der Schnur war ein Haken. Und an dem hing ein Köder, an dem selbst ein Wal sich verschlucken würde. Aber Gabe biss nicht an.
„Wo ist sie?“ fragte er. „Olivia konnte mir nur sagen, dass sie in einem Hotel in der Nähe der Virginia Commonwealth University abgestiegen ist.“
Seine Mutter schwieg, und Gabe glaubte schon, sie würde nicht antworten. Als sie es tat, lag in ihrer Stimme ein Hauch von Interesse, der eben noch nicht da gewesen war.
„Ich weiß es nicht, Gabe. Aber ich habe das Gefühl, dass du anfangen wirst, sämtliche Hotels anzurufen, wenn ich es nicht für dich herausfinde. Und das könnte dann die falschen Leute hellhörig machen. Ich melde mich wieder bei dir.
Aber bevor ich es tue, möchte ich, dass du mir jetzt etwas versprichst.“
„Was?“
„Durch Cord wissen wir, wie uns die Medien und die Öffentlichkeit das Leben schwer machen können, wenn wir ihnen einen Grund liefern. Also bitte, denk sorgfältig nach, bevor du etwas tust, das du später bereuen könntest.“
„Ich will sie nur anrufen“, beharrte er. „Ich will sicher sein, dass es ihr gut geht.“
„Versprich es mir, Gabe.“
„Okay“, gab er nach. Wenn er sein Wort gab, hielt er es auch. Das wusste jeder, der ihn kannte. „Ich verspreche es. Wie schnell kannst du Addies Nummer herausbekommen?“
„Sobald ich mit Rose gesprochen habe. Ich werde ihr sagen, dass ich sie will.“
Das Pilgrim’s Post Hotel lag zwischen einem Starbucks und einem Buchladen und machte mit seinen erschwinglichen Zimmerpreisen wett, was ihm an Charme fehlte. Aber es war sauber und in der Nähe von vielen FastFoodRestaurants und Coffeeshops, so dass billige Mahlzeiten kein Problem waren. Davon hatte Addie genug, als sie ihr Taxi im Stau stehen ließ und im strömenden Regen die letzten drei Blocks zu ihrer neuen Unterkunft rannte.
Sie hatte weniger als einen Tag gebraucht, um einzusehen, dass die Entscheidung, aufs College zu gehen, keineswegs so logisch war, wie sie gedacht hatte, Sie konnte es sich eigentlich nicht leisten, nur zu studieren. Jedenfalls nicht länger als ein Semester, und danach hätte sie kein Geld mehr. Nicht zu studieren hieß, kein Zimmer im Wohnheim zu bekommen, was wiederum bedeutete, dass sie sich zusammen mit einem viel teureren Apartment einen FullTimeJob suchen musste.
Nach zweieinhalb Tagen, an denen sie mit den Stellenanzeigen unter der Jacke durch ganz Petersburg gehetzt war, wurde ihr klar, dass sie so schnell keinen Job bekommen würde.
Und dann hatte ihr auch noch ein Mann vorgeworfen, nur hinter dem Geld der Kendricks her zu sein.
Frierend und durchnässt betrat sie das Hotel. Es war ein eigenartiges Gefühl, von wildfremden Menschen erkannt zu werden. Gestern hatte die Verkäuferin in einem Doughnutshop ihr zugezwinkert und „Viel Glück, Mädchen“ geflüstert.
Sie verstand nicht, wie Gabe in der Öffentlichkeit so gelassen sein konnte. Sie musste endlich aufhören, an ihn zu denken. Erst recht durfte sie nicht mehr mit dem Gedanken spielen, ihn anzurufen. Zumal es Freitag und nach siebzehn Uhr war. Sein Büro war geschlossen, und wie sie seit gestern Abend wusste, stand seine Privatnummer nicht im Telefonbuch. Nachdem sie an den letzten beiden Tagen viel zu viel Geld für Taxifahrten ausgegeben hatte und sich irgendwie sehr mutlos fühlte, wollte sie jetzt nur noch ein heißes Bad nehmen und sich überlegen, wie sie essen konnte, ohne wieder in den Regen hinaus zu müssen.
Das Hotel hatte keinen Zimmerservice.
Sie dachte daran, einen Apfel aus dem Korb am Empfang zu nehmen, und hob den Kopf, um dem Angestellten zuzulächeln. Als sie es tat, blieb ihr fast das Herz stehen.
Er zeigte mit einer Kopfbewegung auf sie, und der Mann, mit dem er gerade sprach, drehte sich um. Regentropfen hafteten an den Schultern seines grauen Mantels.
„Hi“, sagte Gabe und blieb vor ihr stehen.
„Hi“, wiederholte sie und wusste nicht, ob sie erleichtert oder ängstlich sein sollte. „Was ist denn los?“ fragte sie leise. „Ist noch etwas passiert?“
„Nicht hier“, sagte er. „Lass uns auf dein Zimmer gehen.“
Der
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