Entscheidung in Cornwall
es lag griffbereit in seiner Nähe. »Ich fand es immer jammerschade, dass du es nie wieder gesungen hast. Es ist eines deiner besten Lieder. Aber wahrscheinlich wolltest du es mit niemand anderem singen …«
Ramona sah ihn aufrichtig überrascht an. Natürlich war das der eigentliche und wesentliche Grund, aber das war ihr bis zu diesem Moment selbst nicht klar gewesen.
»Du hast recht, Marc«, sagte sie und lächelte ihn an. »Und das hat sich, glaube ich, noch nicht geändert. Bist du hergekommen, um zu proben?«
»Ich habe in deinem Hotelzimmer angerufen, und Julie sagte, dass ich dich wahrscheinlich hier finde.« Er kam zu ihr herüber, und da es auf der Bühne keine Stühle gab, setzte er sich auf den Boden. Sie ließ sich neben ihm nieder und kreuzte die Beine. In Marcs Nähe fühlte sie sich entspannt, mit ihm konnte sie ungezwungen reden oder aus dem Stegreif musizieren.
Sie lächelte ihn an, als er einen schnellen Riff spielte. »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Manchmal muss ich ein Theater vor dem Auftritt fühlen. Die Konzertsäle verschwimmen im Lauf einer Tournee, ich kann sie nicht mehr auseinanderhalten.« Ramona machte die Augen zu und legte den Kopf schief. »Wo sind wir? In Kansas City? Guter Gott, mir ist der Gedanke verhasst, wieder ins Flugzeug steigen zu müssen. Man wird herumgeschickt wie ein Luftfrachtstück. Das kommt immer so über mich, wenn ich die Hälfte einer Tournee hinter mir habe. In ein oder zwei Tagen habe ich dann auf Reserve geschaltet.«
Marc ließ sie reden, während er auf der Gitarre improvisierte. Er beobachtete ihre Hände, die ruhig auf ihren Knien lagen. Sie waren sehr schmal und wirkten trotz der goldenen Bräune zerbrechlich. Dicht unter der Haut sah man dünne blaue Adern. Sie hatte kurze, gut geformte Fingernägel, fast farblos lackiert, und sie trug keine Ringe. Da sie die Hände still hielt, wusste er, dass sie ruhig und entspannt war. Die Nervosität war von ihr abgefallen.
»Ich denke, dass bisher alles gut gelaufen ist«, fuhr sie fort. »›Glasshouse‹ ist eine der besten Vorgruppen, die wir je hatten, und unsere Band ist ausgezeichnet, obwohl wir Kelly verloren haben. Der neue Bass ist gut, findest du nicht?«
»Er versteht seine Sache«, antwortete Marc kurz.
Ramona lachte, streckte die Hand aus und zupfte ihn am Bart. »Du aber auch«, sagte sie. »Lass es mich mal versuchen.«
»Hier.« Er reichte ihr die Gitarre. Sie spielte besser als der Durchschnitt, wurde jedoch, wenn sie auf der Bühne selbst begleitete, tatkräftig von der Band unterstützt. Von Zeit zu Zeit erschreckte sie ihre Musiker mit dem natürlich nicht ernst gemeinten Plan, sie wolle mit einem Gitarrensolo auftreten.
Es machte ihr Freude, Gitarre zu spielen, denn es beruhigte sie, und es hatte etwas unglaublich Intimes, ein Instrument zu halten und die Tonschwingungen am Körper zu fühlen. Nachdem Ramona zweimal den falschen Ton gegriffen hatte, seufzte sie und rümpfte die Nase, weil Mark so überlegen lächelte.
»Ich bin nicht mehr in Ordnung«, behauptete sie und gab ihm die Gibson-Gitarre zurück.
»Gute Ausrede.«
»Und wahrscheinlich ist das Ding verstimmt.«
Er spielte schnell ein paar Tonleitern. »Nein.«
»Du könntest wirklich so liebenswürdig sein zu lügen.« Sie wechselte die Stellung, stellte die Füße flach auf den Boden, legte die Hände auf die Knie und verflocht die Finger ineinander. »Nur gut, dass du Musiker bist. Du wärst ein lausiger Politiker geworden.«
»Als Politiker muss man zu viel reisen«, sagte er und begann wieder leise zu spielen. Er liebte Ramonas Lachen, das jetzt durch das leere Theater hallte.
»Wie recht du hast! Man kann einfach nicht bei Verstand bleiben, wenn man jeden Tag in eine andere Stadt muss. Und die Musik ist auch eine viel sicherere Branche.«
»So sicher wie das Amen im Gebet.«
»Du hast ein Talent für treffende Vergleiche.« Fasziniert beobachtete Ramona, wie seine Finger über die Saiten tanzten. »Ich schaue dir gern beim Spielen zu. Es sieht so mühelos aus. Als Brian anfing, mich zu unterrichten, habe ich …«
Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Marc warf einen Blick in ihr Gesicht, doch seine Finger stolperten kein einziges Mal.
»Ich … ich fand es schrecklich schwer«, fuhr sie schließlich doch fort und fragte sich gleichzeitig, wie sie eigentlich auf dieses Thema gekommen war. »Brian ist nämlich Linkshänder, und selbstverständlich hat er eine Spezialgitarre. Er kaufte mir
Weitere Kostenlose Bücher