Entschuldigen Sie Meine Stoerung
sich als unzureichender Schutz, die Hüter des Gesetzes erkennen mich wohl daran, dass ich rechts barfuß bin und kleine Magneten zwischen den Zehen trage. So lassen sich Dosen leichter stehlen. Vier kleine Magneten reichen für eine Dose Ravioli, die ich unter meinem Fuß hinkend zum Ausgang schleppe. Wenn ich überhaupt so weit komme, werden mir die meisten Dosen allerdings schon vor dem Ausgang wieder abgenommen. Ich muss einfach noch lernen, sie mit dem Fuß unter meinen Trenchcoat zu schieben.
7
Mit den Schwattmanns habe ich sehr ungern Kontakt. Es lässt sich aber nicht vermeiden, ständig treffe ich auf das greise Rentnerpaar, beide geschätzte achtzig. Ich vermute, sie lauern mir auf. Nur um mich zu ihren blöden Kaffeekränzchen einzuladen. Keine schöne Veranstaltung für einen Mittdreißiger. Aber ich habe nie im Leben gelernt, Nein zu sagen.
Die Schwattmanns haben leider nie verstanden, dass ich keinen Kontakt zu anderen Menschen haben möchte. Dass ich eigentlich zurückgezogen lebe. So zurückgezogen, wie das im siebten Stock eines Mehrfamilienhauses eben möglich ist. Ich behaupte einfach mal, dass es niemanden auf der Welt gibt, der in einem siebenstöckigen Mietshaus zurückgezogener lebt als ich. Die meisten Bewohner haben akzeptiert, dass ich meine Ruhe möchte, dass ich jedem aus dem Weg gehe. Nur die Schwattmanns ignorieren es. Ständig suchen sie den Kontakt, sind freundlich und fragen, wie es mir geht. Sobald ich meine Wohnungstür öffne, stehen sie vor mir und laden mich zu ihrem doofen Kaffeekränzchen ein. Jedes verdammte Mal.
»Herr Fitz, wir haben Sie ja lange nicht mehr gesehen«, freuen sie sich dann immer.
»Eine Woche«, entgegne ich dann. »Als ich das letzte Mal den Müll runtergebracht habe.«
»Sie sind aber groß geworden. Also groß im Sinne von dick. Wollen Sie heute nicht zum Kaffee kommen?«
»Gern. Wann denn?«
»Wie immer um vier. Dann sind wir rechtzeitig zu SOKO im ZDF um sechs fertig.«
Den Schwattmanns entkommt man nicht. Da kann man machen, was man will. Ich habe alles versucht. Keine Chance. Die Schwattmanns wohnen in der Wohnung direkt gegenüber meiner, auf der anderen Seite des Hausflurs. Durch ihren Türspion blicken sie auf meine Wohnungstür. Und die Schwattmanns blicken oft durch den Spion. Immer. Sie lassen meine Tür keine Sekunde lang aus den Augen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal meine Wohnung verlassen habe und nicht sofort einer der beiden vor mir stand.
Auf dem letzten Kaffeekränzchen fragte ich Herrn Schwattmann:
»Warum sind Sie und Ihre Frau eigentlich so auf mich fixiert?«
»Wir machen uns Sorgen um Sie. Sie vereinsamen und verwahrlosen doch ohne uns. Man soll immer ein Auge auf seine Nachbarn haben. Unsere Gesellschaft ist so schrecklich anonym. Niemand ist mehr für den anderen da. Wir sind da anders. Nicht dass Sie tot in Ihrer Wohnung liegen, und niemand merkt es.«
»Mir wäre es egal, wenn Sie tot in der Wohnung liegen.«
»Ich weiß. Aber wir haben viele Freunde und eine treu sorgende Familie. Außerdem achten die anderen Nachbarn auf uns. Wir sind nicht auf Sie angewiesen, Herr Fitz. Sie aber haben doch niemanden außer uns. Wenn Sie sterben, muss es erst im Treppenhaus stinken, damit das jemand bemerkt.«
»Da haben Sie natürlich recht. Kann ich noch etwas Kaffee haben?«
Die Schwattmanns sind meiner Zurückgezogenheit nicht förderlich. Jede Woche ein Kaffeekränzchen von alten Leuten besuchen und reden – versuchen Sie mit dieser Story einmal jemandem weiszumachen, dass Sie zurückgezogen leben. Wegen den Schwattmanns werde ich sogar zum Messie. Normalerweise umgebe ich mich ungern mit Müll, habe ihn zeit meines Lebens immer rechtzeitig entsorgt. Aber wenn man jedes Mal auf Schwattmanns trifft, sobald man die Wohnung verlässt, zögert man den Gang nach unten so lange wie möglich hinaus. Bis es gar nicht mehr geht. Mein Abfall bleibt oft wochenlang in meiner Wohnung. Aus Angst vor den Schwattmanns. Irgendwann wird der Gestank so übermächtig, dass ich nicht anders kann, als den Müll zu entsorgen. Prompt begegne ich den Schwattmanns.
»Herr Fitz, wollen Sie nicht mal wieder zum Kaffee kommen? Mein Gott, Ihr Müll stinkt bestialisch. Sie sollten ihn häufiger entsorgen.«
Ich merke, wie ich langsam verzweifle. Einfach nicht Nein sagen zu können treibt einen zu den entwürdigendsten Verzweiflungstaten. So habe ich vor vier Wochen den Türspion der Schwattmanns mit Kaugummi verklebt. In der
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