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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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Hoffnung, sie würden das nicht so schnell bemerken, sondern die schlechte Sicht auf ihre nachlassende Sehkraft zurückführen. Leider haben sie mich bei der Aktion beobachtet. Durch den Türspion. Während ich den ausgelutschten Kaugummi anbrachte, öffnete Herr Schwattmann die Wohnungstür und ertappte mich auf frischer Tat.
    »Was machen Sie denn da, Herr Fitz?«
    »D-da hat jemand einen Kaugummi auf Ihren Spion geklebt, den wollte ich abkratzen.«
    »Ich habe durch den Spion gesehen, wie Sie den Kaugummi aus Ihrem Mund geholt und auf den Spion gepfropft haben.«
    »Das war eine optische Täuschung.«
    »Nein, das war eine optische Ent täuschung, Herr Fitz. Warum machen Sie das?
    »W-wegen Fasching. Ich wollte Ihren Spion als Kaugummi verkleiden.«
    Ich bin verzweifelt. So verzweifelt, dass ich mich entschlossen habe, meine Wohnung in Zukunft nicht mehr durch die Wohnungstür, sondern nur durch das Fenster zu verlassen. Trotz des 7. Stocks. Das ging eine Zeitlang gut, fand aber ein abruptes Ende, als plötzlich der Hausmeister in meiner Wohnung stand. Nachdem die Schwattmanns mich lange nicht mehr gesehen hatten und ich auch auf ihr Klingeln hin nicht die Tür öffnete, machten sie sich so große Sorgen, dass sie sicherheitshalber den Hausmeister riefen. Mit dem Ersatzschlüssel verschaffte sich der Mann Zutritt zu meiner Wohnung – als ich gerade rittlings auf meiner Fensterbank saß. Mit der Mülltüte in der Hand. Ein Bein baumelte bereits aus dem Fenster, das andere stand noch in der Wohnung.
    »Herr Fitz, was tun Sie denn da?«, erkundigte sich der Hausmeister irritiert.
    »Äh, den Müll nach unten bringen«, antwortete ich ertappt.
    »Und warum klettern Sie dazu aus dem Fenster?«
    Nun schoss es wie ein Wasserfall aus mir heraus: »Damit ich nicht wieder die Schwattmanns im Hausflur treffe und sie mich nicht wieder zum Kaffee einladen können. Ich hasse die Kaffeekränzchen bei den Schwattmanns. Da sind immer so viele Menschen. Und alle riechen und sind gemein zu mir.« Dann brach ich in Tränen aus.
    »Nichts für ungut, Herr Fitz. Ich wollte nur nachsehen, ob Sie noch leben. Viel Spaß noch mit den Schwattmanns.«
    Der Hausmeister verließ die Wohnung, und die Schwattmanns traten ein. Sie sahen sich zögerlich um; es war das erste Mal, dass sie mein Reich von innen beäugten.
    »Oh, hässlich haben Sie es hier, Herr Fitz. Und wir wundern uns all die Jahre, warum Sie uns nie zu sich einladen.«
    Ich saß immer noch weinend auf der Fensterbank.
    »Finden Sie unsere Kaffeeeinladungen wirklich so lästig?«, fragte Herr Schwattmann unvermittelt, und auch in seinen Augen schimmerten Tränen. In diesem Moment tat er mir unendlich leid. Ich fühlte mich schlecht, soeben hatte ich vor einem Dritten über seine Kaffeekränzchen hergezogen, ihn und seine Freunde beleidigt, ich Monster. Wie ich mich dafür hasste. Ich wischte mir die Tränen aus meinem Auge und beeilte mich zu sagen: »Das war nicht so gemeint, lieber Herr Schwattmann. Ich wollte dem Hausmeister nur irgendetwas antworten und habe herumgesponnen. Sie wissen doch, dass ich nicht ganz richtig bin. Ich folge Ihren Einladungen immer sehr gern.«
    Herr Schwattmann strahlte mich an: »Wusste ich’s doch, Herr Fitz. Was haben Sie denn schon noch im Leben außer uns? Wir sind immer für Sie da. Wofür gibt es denn Nachbarn? Kommen Sie heute um 16 Uhr zu Kaffee und Kuchen?«
    »Ja, gern. Danke für die Einladung.«
    Dann blickte ich von meinem Platz auf der Fensterbank hinab in die Tiefe. Der Asphalt des Innenhofs hatte etwas ungemein Anziehendes.

17
    »Aus dir ist ja tatsächlich nichts geworden! Hahahaha«, gackst mein Vater freudig erregt und ballt seine Faust zu einer Triumphgeste. »Das ist toll. Großartig. Ich habe also recht behalten!«
    Ich beobachte ihn durch den Spion meiner geschlossenen Wohnungstür, sehe, wie er im Hausflur ausgelassen auf und ab hüpft, außer sich vor Freude. Er umarmt meine Mutter; auch sie strahlt über das ganze Gesicht, und man sieht ihr das Glück an, das ihr das Scheitern ihres einzigen Kindes bereitet. Offenbar ist für sie ein Traum in Erfüllung gegangen.
    Die Stimme meines Vaters überschlägt sich vor Begeisterung: »Habe ich nicht immer gesagt, dass aus dem Kerl nie etwas wird? Habe ich es nicht gesagt? Elfriede, habe ich es gesagt oder habe ich es nicht gesagt?«
    »Ich weiß nicht, du redest immer so undeutlich. Aber kann sein. Ich bewundere dich so für deine Weitsicht.«
    Mein Vater und meine Mutter legen

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