Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
Vom Netzwerk:
schlechtere Laune habe ich zugegeben im Sitzen. Am besten geht es mir noch im Liegen. Da habe ich aber auch schlechte Laune.
    Ich belasse es aber nicht bei einem mürrischen Gesichtsausdruck. Stattdessen murmle ich zur Unterstützung ständig »Boah, Scheiß Gehen, ey!«. Auch jetzt gerade. Mein Gott, bin ich angepisst. So sehr, dass ich gar nicht darauf achte, wohin ich gehe. Erst als ich wieder aufblicke, bemerke ich, dass ich mich mittlerweile im Wald befinde. Mensch, habe ich ein Glück. Wenn ich schon gehen muss – dann doch bitte im Wald. Ich bin so begeistert, dass ich »Juchhufallera« rufe. Ich bin sehr launisch.
    Ein Wald ist eine tolle Erfindung. Ich muss viel weniger Menschen ausweichen als in einer Fußgängerzone. Und treffe ich doch einmal auf einen Spaziergänger, werde ich seiner schon so früh gewahr, dass ich in aller Ruhe entscheiden kann: Gehe ich rechts oder links vorbei?
    In einem Wald ist alles einfacher. Viel weniger Reize. Wie ruhig es hier ist. Der Wald wird in die Geschichte meines Lebens als der Ort eingehen, an dem ich mich am seltensten erschreckt habe. Und das, obwohl der Wald doch gemeinhin als eine der bevorzugten Heimstätten von Menschen mit übler Absicht gilt. Im Wald, da sind bekanntlich die Räuber, die man am besten, wie es das berühmte Volkslied vorschlägt, mit einem »Hallihallo, die Räuber!« begrüßt. Also zum Beispiel so:
    »Hallihallo, die Räuber! Und? Alles klar?«
    »Ja, muss ja. Bisschen wenig Menschen hier im Wald. Lange niemanden mehr ausgeraubt. Aber jetzt sind Sie ja da.«
    Am Rande, lieber Leser: Sie können auch andere Berufsgruppen so begrüßen. Genauso denkbar: » Hallihallo, der Postbote.« Oder »Hallihallo, der Bäcker, ach, nein, ich meinte den Metzger, war gerade unkonzentriert.« Wäre auch naheliegender, als einen Räuber so freudig zu begrüßen. Ich bin noch nie einem Räuber begegnet, die tarnen sich oft sehr geschickt, aber wenn, würde ich statt »Hallihallo« eher mit »Ogottogott« reagieren. Warum sollte ich mich bei einem Zusammentreffen mit einem Ganoven so freundlich zeigen, schließlich führt der Herr kaum etwas Gutes im Schilde, und nur nett zu ihm sein, weil ich hoffe, dass er mich dann nicht ausraubt, das ist es mir ehrlich gesagt nicht wert. Davon abgesehen kann ich nicht so charmant »Hallihallo« sagen, dass ein Räuber sich denkt: »Ach, der begrüßt mich so nett mit ›HalliHallo‹, dem lasse ich mal seine Brieftasche und sein Handy.« Wenn ich versuche, freundlich zu sein, geht das nach hinten los. Begegne ich einem Menschen, der nur entfernt wie ein Räuber aussieht, liefere ich nicht nur auf der Stelle meine Wertgegenstände bei ihm ab, sondern verprügele mich auch gleich noch selbst. Spart ihm den Aufwand, und ich kann gewisse Körperteile verschonen, die besonders schmerzen würden.
    Hinter jedem Baum in diesem Wald könnte ein Räuber stehen und nur darauf warten, dass ich vorbeikomme – um dann hervorzuspringen und zu sagen: »Geld oder Leben, was darf’s sein?« Ich laufe aber nun seit sechzig Minuten durch den Wald, und bisher hat sich mir kein Räuber zu erkennen gegeben. Dabei gibt es hier Bäume über Bäume. So viele perfekte Verstecke. Wenn die Förster ein Einsehen mit uns Paranoikern hätten, würden sie mehr Spiegel in deutschen Wäldern anbringen. Solche Spiegel, wie sie im Straßenverkehr an schwer einzusehenden Kreuzungen und Einfahrten hängen. Dann könnten wir früh genug hinter die Bäume blicken und würden, falls wir dort einen Räuber erspähen, entweder einen anderen Weg einschlagen oder, falls die Luft rein ist, beruhigt weiter unserer Wege gehen. Aber wir Paranoiker haben keine so starke Lobby wie die Autofahrer.
    Ich habe noch Glück. Meine Angst vor Bäumen ist relativ schwach ausgeprägt. Wundere mich selbst, dass ich vor Bäumen und den potentiellen Gefahren, die sich hinter ihnen verbergen, nicht mehr Angst habe. Verwunderlich, dass ich ausgerechnet die Gefahr, die von Bäumen, Sträuchern und anderen Gewächsen ausgeht, so leichtfertig abtue. Ich erwarte von allem und jedem das Schlimmste, nur von einem Baum seltsamerweise nicht. Ist das Naivität? Oder einfach die Folge, weil ich bisher keine schlechten Erfahrungen mit Eichen, Buchen, Erlen & Co gemacht habe? Das unterscheidet sie von allem anderen auf der Welt. Ich habe mit allem schlechte Erfahrungen gemacht. Nur nicht mit Bäumen. Bäume waren immer anständig und höflich zu mir. Mir ist noch nie etwas Unangenehmes widerfahren,

Weitere Kostenlose Bücher