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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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gefährdet, wenn der Mann mit mir in Einzelentreizung sitzt. Der Arzt meinte, es sollen alle Reize von mir ferngehalten werden.«
    SCHWESTER: »Das werden sie doch auch.«
    MANN: »Aber dieser Mann ist ein starker Reiz.«
    SCHWESTER: »Ich werde ihn bitten, die Klappe zu halten.
    MANN: »Ich weiß ja jetzt, dass er da ist. Das kann ich nicht mehr ausblenden. Wie heißen Sie überhaupt?«
    SCHWESTER: »Schwester Hartmuthilde.«
    MANN: »Und Sie, Herr Fitz?«
    ICH: »Herr Fitz. Und Sie?«
    MANN: »Ich habe zuerst gefragt.«
    ICH: »Ich habe auch zuerst geantwortet. Wie heißen Sie denn nun?«
    MANN: »Das geht Sie einen Scheißdreck an.«

In der Gruppentherapie
    Seit ich das Bett für mich allein habe, schlafe ich wunderbar. Der Tod meiner ehemaligen Mitbewohnerin war ein Segen. Wenn da nur nicht die Angst wäre, dass die Leiche im Schrank bald zu stinken beginnt. Es kann jederzeit so weit sein. Wenn ich in meinem Zimmer bin, schnüffle ich die ganze Zeit, weil ich denke »Jetzt könnte es riechen … Aber jetzt … Aber jetzt.«
    Ich weiß gar nicht, wie viele Tage seit ihrem Tod vergangen sind. Kleingesägt habe ich sie noch nicht. Steht aber ganz oben auf meiner To-do-Liste. Wenn ich mich nur nicht so seltsam blockiert fühlen würde. Am liebsten würde ich meinen Therapeuten fragen, woher das kommt. Traue ich mich aber nicht. Selbst wenn er sich an die Schweigepflicht hielte und niemandem erzählte, dass ich einen Menschen umgebracht habe, könnte er sich bemüßigt fühlen, den Putzfrauen Bescheid zu sagen, damit sie die Leiche entsorgen, bevor sie zu stinken beginnt. Und die Putzfrauen unterliegen meines Wissens keiner Schweigepflicht.
    Ich erhebe mich von meinem Bett und gehe ins Bad. Auf dem Weg fällt mir ein gefalteter Zettel ins Auge. Offenbar hat ihn jemand unter meiner Tür hindurchgeschoben. Eine Botschaft. Ich hebe das Papier auf, öffne die Tür und blicke rechts und links auf den Flur. Niemand zu sehen. Nicht verwunderlich. Der Zettel kann schon vor ein paar Stunden in mein Zimmer geschoben worden sein.
    Kaum habe ich die Zimmertür wieder geschlossen, sehe ich, wie ein zweiter Zettel unter ihr hindurchgeschoben wird. Sofort reiße ich erneut die Zimmertür auf. Diesmal rechne ich mir bessere Chancen aus, den Boten noch zu erwischen, aber wieder: gähnende Leere auf dem Flur. Verwirrt schließe ich die Tür, öffne sie aber überraschend noch einmal, in der Hoffnung, dass die Person, die mir die ersten beiden Briefe gebracht hat, noch einen dritten unter meiner Tür hindurchschiebt und ich sie auf frischer Tat ertappe. Aber nichts. Erneut gähnende Leere auf dem Flur.
    Ich habe die Tür noch nicht wieder ganz geschlossen, da fällt mir auch schon ein dritter Zettel ins Auge. Er liegt an der gleichen Stelle, an der ich schon die beiden anderen gefunden habe. Anscheinend habe ich es mit einem äußerst gewitzten Boten zu tun. Ich vermute, er bewegt sich die ganze Zeit hinter meinem Rücken, deshalb kann ich ihn nicht sehen. Wenn ich mich um die eigene Achse drehe, läuft er wie an einer unsichtbaren Stange befestigt hinter mir her, immer im gleichen Abstand. Drehe ich mich abrupt um hundertachzig Grad, dreht er sich ebenfalls abrupt im selben Winkel und in derselben Zeit. Ich habe keine Chance, ihn zu entdecken. Er ist mir über. Ich beschließe, das Thema einfach in meiner nächsten Einzeltherapie anzuschneiden, und hebe den dritten Zettel auf.
    Langsam wird es Zeit, die ganzen Zettel zu lesen. Wenn ich weiter mit Nachrichten überflutet werde, komme ich irgendwann mit dem Lesen nicht mehr nach. Ich entfalte das Papier und lese eine in sorgloser Handschrift hingeschriebene Botschaft:
    Bitte werfen Sie dieses Blatt für mich weg. Mein Papierkorb ist voll.
    Ich falte den zweiten Zettel auseinander. In der gleichen Handschrift lese ich:
    Ich hatte noch einen Zettel übrig und dachte mir: Gebe ich Ihnen den. Vielleicht brauchen Sie ja einen?
    Schließlich falte ich den dritten auseinander, jenen, der zuerst in mein Zimmer geschoben worden ist. Doch statt einer dritten unsinnigen Botschaft lese ich diesmal:
    Sehr geehrter Herr Fitz,
    verlassen Sie sofort die Klinik, wenn Ihnen Ihre psychische Gesundheit lieb ist. Noch ist es nicht zu spät. Ergreifen Sie die Flucht, solange es noch geht und Sie noch die Kraft dazu haben. Ich meine es als Einziger gut mit Ihnen. Sonst niemand. Kein Arzt, kein Patient, kein … Mir fällt kein Dritter ein, höchstens der Hausmeister oder so.
    Vor allem: Gehen Sie auf keinen

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