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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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Fall in die Gruppentherapie. Ich wiederhole: Gehen Sie nicht , unter keinen Umständen, auf gar keinen Fall in die Gruppentherapie. Machen Sie nicht den Fehler, den ich gemacht habe. Ich war dort. Und wurde gebrochen.
    Ja, Herr Fitz, auch ich habe, als ich damals in die Klinik kam, an den Segen der Gruppentherapie geglaubt. Auch ich habe ihnen Glauben geschenkt, den sagenhaften Geschichten, die über diese Therapieform erzählt werden. Dass man dort seine Sorgen und Ängste mit Menschen teilen könne, die Ähnliches erlebt haben wie man selbst. Dass man nicht nur andere Menschen besser zu verstehen lerne, sondern auch sich selbst. In einer Gruppentherapie erwarte einen Trost, Verständnis, Solidarität und emotionale Unterstützung. Sie nehme einem das Gefühl, mit seinen Problemen allein auf der Welt zu sein.
    Haha, Herr Fitz, haha. Bullshit! Glauben Sie kein Wort. Die Welt geht vor die Hunde, jeder kämpft für sich, und ausgerechnet in einer Gruppentherapie soll das anders sein? Wohin man auch schaut, überall Arschlöcher, aber in der Gruppentherapie einer Nervenklinik finden Sie ausschließlich reine Seelen? Nirgends Empathie, Verständnis und Solidarität, aber im Gruppenraum 026 in Gebäude B – da denkt jeder an den anderen, hat Mitgefühl für ihn und ein offenes Ohr für seine Probleme?
    Ich verrate Ihnen mal was: Der Versicherungsmakler, der Ihnen im Stuhlkreis gegenübersitzt, würde Ihnen den letzten Schrott verkaufen, wenn es zu seinem Vorteil ist. Unzählige Opfer hat er mit seinen dubiosen Investitionsempfehlungen bereits in den Ruin getrieben. Mittlerweile leidet er unter einem Burn-out. Und macht sich von den privaten Krankenkassenbeiträgen, die er dank seiner Opfer bezahlen konnte, eine schöne Zeit in der Privatklinik.
    Oder die Lehrerin zu Ihrer Rechten, Herr Fitz. Gibt Schülern Noten nach Sympathie. Wäre sie Ihre Lehrerin gewesen, Sie hätten die erste Klasse nicht überstanden. Aber nun erwarten Sie allen Ernstes, dass diese Dame Anteil an Ihrem Schicksal nimmt und es gut mit Ihnen meint? Wachen Sie auf, Herr Fitz. Herr Fihitz, sind Sie noch da? Ach so, ist ja ein Brief.
    Jetzt ist die Dame gaaanz traurig, weil sie 50 Kilometer von zu Hause entfernt in eine andere Schule versetzt wurde. Und weil sie nun um sechs statt um viertel nach sechs aufstehen muss. Das haben ihre Nerven nicht ausgehalten. Und jetzt ist sie krankgeschrieben. Depressionen. Och, die Arme.
    Der Schlimmste von allen aber: der Feuerwehrmann links neben Ihnen. Drängelt sich in jeder Schlange vor. Nimmt anderen Verkehrsteilnehmern die Parkplätze weg. Und frisst im Kino sein Popcorn in der Lautstärke eines Mähdreschers. Ist ihm egal. Die Welt dreht sich schließlich um ihn. Asoziales Verhalten? Er? Nö. Die anderen sollen sich mal nicht so haben. Narzisstische Störung. Er liebt nur sich selbst. Haben Sie mal erlebt, wie der Kerl mit seiner Frau spricht, wenn sie ihn besucht? Auf dem Gefängnishof geht es höflicher zu. Aber natürlich: Als professioneller Feuerwehrmann würde er jeden Menschen jederzeit mutig aus den Flammen retten. Wenn Sie von ihm anständig behandelt werden möchten, legen Sie sich am besten mit zerschmetterten Beinen in ein brennendes Haus unter einen Metallträger. Sonst sind Sie Luft für ihn. In der Klinik lässt er sich wegen seines Alkoholproblems behandeln.
    Und mit diesen Menschen wollen Sie in der Gruppentherapie allen Ernstes Ihr Innerstes und Geheimstes teilen, Herr Fitz? Gruppentherapie ist Krieg. Nicht der Stärkere gewinnt, sondern der Schwächste verliert. Und alle gehen mit tieferen Verletzungen nach Hause, als sie gekommen sind.
    Das Verhältnis der Patienten untereinander ist geprägt von Neid und Missgunst. Wie man es sonst nur aus den Casting-Shows im Fernsehen kennt: Jeder will den anderen übertrumpfen. Wer erzählt die aufregendste Geschichte? Welcher Patient hat das größte Trauma zu überwinden? »Du fandest die Geschichte aus meiner Kindheit berührend? Wart mal ab. Morgen setze ich noch einen drauf!« »Das wollen wir doch mal sehen. Meine Geschichte wird deine noch überbieten. Und wenn sie gelogen ist. Egal. Hauptsache, die anderen sind von mir beeindruckter als von dir.« Die Aufgabe lautet: den anderen besiegen, ihn erniedrigen und vernichten. Wie es das Fernsehen vormacht. Gruppentherapie ist wie Deutschland sucht den Superstar . Am Ende wird insgeheim abgestimmt: Wer ist Deutschlands depressivster Patient?
    Wer sich in die Gruppentherapie begibt, sich in ihr öffnet,

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