Entschuldigen Sie Meine Stoerung
kommt darin um. Wer Schwäche zeigt, wird zum Kanonenfutter.
Und glauben Sie nicht, Sie werden in der Gruppentherapie Freunde finden, Herr Fitz. Wenn jemand freundlich zu Ihnen ist, dann handelt es sich um einen Journalisten bei der Recherche. Oder jemanden, der ein Buch über seine Zeit in der Anstalt schreibt. Und Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie in diesem Buch gut wegkommen, Herr Fitz. Der Kerl wird alle Mitpatienten mit Decknamen versehen, nur Sie wird er mit Klarnamen an den Pranger stellen. Sobald dieses Buch erscheint, sind Sie zerstört, Herr Fitz.
Ich flehe Sie an: Hören Sie auf mich. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe diese Sätze aus den Broschüren doch auch geglaubt:
Über die Wahrnehmung des Gemeinsamen entsteht gegenseitige Empathie und Solidarität .
Herr Fitz, ich rotze Ihnen diesen Satz vor die Füße. Wenn Sie jetzt noch mal vor Ihre Tür gucken – dort wo eben dieser Zettel lag –, müssten Sie jetzt ein bisschen Rotz finden.
Oder ein Satz wie Aber andererseits entsteht über die bewusste Wahrnehmung der Unterschiede und Individualität auch gegenseitige Akzeptanz und Toleranz . Hallo? Herr Fitz! Akzeptanz und Toleranz sind so was von achtziger Jahre. Gibt es nicht mehr. Ausgestorben. Wie der Säbelzahntiger.
Ich verrate Ihnen noch etwas, Herr Fitz: Ich habe vor kurzem im Internet ein Geheimdokument veröffentlicht, in dem steht, was in Gruppentherapien wirklich gelehrt wird. Ich zitiere:
– Blockaden erkennen und verfestigen
– Partnerschaftskonflikte intensivieren und es sich auch mit Nichtpartnern verscherzen
– dem Selbstwertgefühl und der Selbstachtung den Rest geben
– Hemmungen für zwei Minuten abbauen, um sie dann noch riesiger neu aufzubauen.
– Nähe zulassen, um den anderen weiter wegstoßen zu können.
– Psychoballast erkennen und sich hineinsteigern
– Einfühlungsvermögen vortäuschen
– Kontaktschwierigkeiten überdramatisieren
– alles übelnehmen für Anfänger
– destruktive Glaubenssätze entwickeln und perfektionieren
– sexuelle Praktiken entwickeln, an denen niemand Spaß hat und die eine Lungenentzündung nach sich ziehen.
– Sinnlichkeit weglachen
– Alkoholismus als Form der Therapie akzeptieren
Machen wir uns nichts vor, Herr Fitz: Typen wie uns nützt auch eine Gruppentherapie nichts. Wir werden niemals eine Gemeinschaft finden, in die wir hineinpassen. Wir werden hier so abgelehnt wie überall, nur tut man hier verständnisvoller. Sparen Sie sich diese unschöne Erfahrung. Sie sind keiner von denen. Sie sind und bleiben ein Fremdkörper. Das ändert sich nicht, nur weil Sie in der Gruppentherapie sitzen.
Falls Sie mir nicht glauben: Ich habe meine letzte Therapiestunde, die gleichzeitig meine erste und einzige war, für Sie niedergeschrieben. Wenn das kein Beweis ist, dann, dann … Ja, dann weiß ich auch nicht.
Die Atmosphäre in meiner ersten Gruppentherapiestunde war völlig vergiftet. Schon als die anderen Patienten den Raum betraten und mich auf meinem Stuhl mitten im Raum sitzen sahen (ich war eine Stunde vor dem offiziellen Beginn anwesend, da ich panische Angst habe, zu spät zu kommen), begrüßten sie mich derart frostig, dass ich am liebsten sofort auf mein Zimmer gerannt wäre. Nur Lethargie und Duldungsstarre verhinderten dies. Ein Patient nach dem anderen kam herein, runzelte die Augenbrauen und murmelte ein missmutiges »Hallo« in meine Richtung. Dann nahm er sich einen der an der Wand aufgereihten Stühle und zog ihn in die Mitte des Raumes. Nach und nach bildeten wir einen Sitzkreis, ohne dass die anderen auch nur ein einziges Mal den Blick von mir abgewendet hätten. Der Ausdruck in den Gesichtern meiner drei Mitpatienten war halb feindselig, halb irritiert. Angespannt und verkrampft kauerte ich mit gekrümmtem Rücken auf meinem Stuhl, ignorierte die Blicke, so gut es ging, und starrte stumpf auf den grauen, flusigen Teppich vor meinen Füßen.
Vielleicht hätte ich vereinzelt Hallo gesagt, aber ich hatte den Mund voller Fingernägel, die ich vor lauter Nervosität abgekaut, aber noch nicht runtergeschluckt hatte. Schluckbeschwerden. Vor Aufregung. Ich bin nicht so gern unter Menschen.
Schließlich betrat der Gruppentherapeut, ein kleiner, untersetzter Mann Mitte vierzig, mit langen Beinen und einem langen Oberkörper, den Raum. Er stutzte, als er mich sah, und blickte mich fragend an. Das war der Moment, in dem es mir zu bunt wurde. Ich nahm meinen
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