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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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genau?« Harry war hartnäckig.
    »Genau? Auf die Minute? Das nicht bekannt. Eine Stunde, vielleicht. 18:00 Uhr?«
    »Um sechs Ortszeit«, rechnete Sandra nach. »Da waren wir im Flugzeug.«
    »Ist eine Autopsie unumgänglich?« Harry verabscheute den Gedanken; er wusste, wie die Toten auf Nekromantie reagierten, wie sehr sie sie fürchteten. Dragosani war ein Nekromant gewesen, und die Toten hatten ihn aus tiefstem Herzen gehasst und gefürchtet! Natürlich war das hier nicht das Gleiche; Layard würde nichts von dem spüren, was der Pathologe mit ihm machte, der eher mit einem Chirurgen als mit einem Folterknecht zu vergleichen wäre. Aber trotzdem konnte Harry sich mit dem Gedanken nicht anfreunden.
    Sakellarakis hob entschuldigend die Hände. »Es ist Gesetz.«
    Layards Zimmer war klein, weiß und sauber. Es roch durchdringend nach Antiseptikum. Der Leichnam lag der Länge nach auf einer Bahre und war mit einem Tuch abgedeckt. Das Bett, in dem er gelegen hatte, war bereits wieder gemacht und das Fenster geschlossen, um die Fliegen fernzuhalten. Darcy zog vorsichtig das Laken zurück, um Layards Gesicht freizulegen – und zuckte sofort erschrocken zurück. Ebenso Sandra. Layards Gesicht war noch nicht hergerichtet.
    »Das ist Leichenstarre«, erklärte Sakellarakis mit einem Nicken. »Die Muskeln. Sie kontraktieren. Der Leichenbestatter bringen das in Ordnung. Dann Layard schlafen friedlich.«
    Harry war unbewegt. Er stand vor Layard und sah auf ihn hinunter. Die Hautfarbe des ESPers war gräulich, er war kalt und steif. Aber sein Gesicht war in einem Ausdruck erstarrt, der nicht von der Leichenstarre kommen konnte. Seine Kiefer waren wie zu einem Schrei geöffnet, und die Oberlippe war auf der linken Seite hochgezogen und legte weiße, glänzende Zähne bloß. Das ganze Gesicht schien in einer Art Krampf nach links verzogen, als hätte er etwas angeschrien, etwas Grauenhaftes, Unerträgliches.
    Seine Augen waren geschlossen, aber in den Augenlidern, direkt unter den Augenbrauen, erspähte Harry zwei Schlitze in der Haut. Sie waren sehr dünn, hoben sich aber dunkel gegen die wachsbleiche Haut ab. »Man hat ihn geschnitten?« Harry sah den griechischen Arzt fragend an.
    »Das sein der Krampf«, nickte der andere. »Die Augen gehen auf. Das passieren manchmal. Ich machen kleine Schnitte in Muskeln – kein Problem.«
    Harry schürzte die Lippen, runzelte die Stirn und wandte sich dann der großen bläulichen Schwellung zu, die auf Layards Stirn begann und sich unter dem Haar fortsetzte. Die glänzende Haut war aufgeplatzt, eine kleine Abschürfung, durch die sich weißes Fleisch von der Farbe eines Fischbauches zeigte. Harry sah sich die Beule genau an und hob eine Hand, als wollte er sie berühren, dann wandte er sich aber ab. »Dieser Blick«, murmelte er vor sich hin, »das ist kein Muskelkrampf. Das ist nackte Angst.«
    Darcy Clarke hatte einen Blick auf Layard geworfen, dann war er einen Schritt zurückgewichen. Langsam hatte er sich immer weiter zurückgezogen und befand sich jetzt draußen im Flur. Sein Gesicht war verzerrt, während er starr auf die Gestalt auf der Bahre starrte. Sandra ging zu ihm hinüber, dann gesellte sich auch Harry zu ihnen.
    »Darcy, was ist los?« Sandras Stimme war gedämpft.
    Darcy schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß es nicht«, schluckte er. »Aber egal, was es ist, da stimmt was nicht!« Es war sein Talent, das sich meldete und auf ihn Acht gab.
    Papastamos zog das Laken wieder über Layards Gesicht. Er und Sakellarakis kamen zu ihnen in den Korridor. »Sie meinen, das kein Krampf?« Der Arzt blickte Harry fragend an. »Sie wissen über diese Dinge?«
    »Ja, ich weiß so einiges über die Toten«, gab Harry zu.
    »Harry ist so etwas wie ein Fachmann.« Darcy hatte sich jetzt wieder unter Kontrolle.
    »Ach, ein Doktor.«
    »Hören Sie zu!« Harry ergriff den Arzt am Arm und sprach drängend auf ihn ein. »Die Autopsie muss noch heute Nacht stattfinden. Und dann muss er verbrannt werden.«
    »Verbrannt? Sie meinen, wir ihn kremieren?«
    »Ja, verbrennen. Einäschern. Und das muss bald geschehen. Spätestens morgen.«
    »Mein Gott!«, stieß Manolis Papastamos hervor. »Und Ken Layard war euer Freund? Auf solche Freunde könnte ich verzichten. Es war mir ja klar, dass Sie eiskalt sind, aber ... Sie sind nicht nur eiskalt, Sie sind innerlich so tot, wie er es äußerlich ist.«
    Auf Harrys Stirn glänzte kalter Schweiß, und er sah aus, als wäre ihm übel. »Das ist es ja

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