ENTSEELT
werden.«
»Soll das heißen ... er will einen Showdown?«
»Ja, denn er hat die Zukunft gesehen! Das ist das, was er am Besten konnte, und damit hat er Faethor ausgetrickst. Er weiß, dass es zu einem Showdown kommen wird, also lenkt er die Ereignisse so, dass alles zu seinen Gunsten steht. Er wird meine eigenen Schachzüge gegen mich wenden, und gegen jeden, der mit mir ist. Er hat Ken Layard und kann deswegen jeden von uns zu jeder Zeit aufspüren. Er hat Trevor Jordan in den Wahnsinn getrieben, so dass der für uns keine Hilfe mehr ist. Und er hat sich Sandra nicht etwa aus Geilheit geholt, oder um uns zu verspotten. Mit ihrer Hilfe will er mich besser kennenlernen, denn so erfährt er nicht nur meine Stärken, sondern auch meine Schwächen. Und letzte Nacht hat er sein Schoßhündchen Armstrong ausgeschickt, um euch auf die Probe zu stellen und eventuell zu vernichten und mir damit eine meiner letzten Stützen zu nehmen.«
»Aber wenn er in die Zukunft sehen kann, dann muss er doch gewusst haben, dass wir Armstrong töten würden?« Manolis bemühte seinen kriminalistischen Scharfsinn. »Warum hat er ihn dann so einfach geopfert?«
»Wie ich schon sagte, ein Test. Er würde es nicht als ein Opfer sehen. Vampire haben keine Freunde, nur seelenlose Sklaven. Und außerdem war Armstrong nur eine von Janos’ Figuren; er hat noch sehr viel mehr. Zum Beispiel Ken Layard, der alles kann, was Armstrong konnte, und noch einiges mehr. Aber ich verstehe deine Frage: Warum provoziert man ein Scharmützel, das man nicht gewinnen kann, richtig?«
»Richtig.«
Harry schüttelte den Kopf. »So funktioniert die Zukunft nicht. Man kann sie nicht einfach lesen, die Prophezeiungen sind nie unfehlbar, und man kann ihr nicht entkommen. Man darf nie vergessen, nichts ist sicher, bis es geschehen ist. Es gab da einen Mann, einen russischen ESPer namens Igor Vlady. Ich habe ihn einmal im Möbius-Kontinuum getroffen. Im Leben war er ein Hellseher; er konnte die Zukunft vorhersagen. Und als er tot war, tat er das weiter, und wurde so zu einem Meister der Zukunft und der Vergangenheit. So wie der Raum für Möbius ein offenes Buch ist, so wusste Vlady alles über die Zeit. Körperlos durchwanderte er auf ewig den Zeitstrom. Vlady erklärte mir, dass er im Leben seine Zukunft immer vor sich abgeschirmt hatte. Er wollte sie nicht lesen; für ihn war das so, als wollte er das Schicksal herausfordern. Er wollte nicht wissen, wann oder wie seine Zeit kommen würde, denn er wusste, dass er sich nur Sorgen machen würde, je näher der Zeitpunkt kam. Aber schließlich, in einem Augenblick der Unsicherheit und der Furcht, ignorierte er seinen eisernen Grundsatz und sah seinen eigenen Tod voraus. Er glaubte zu wissen, von welcher Seite ihm die Gefahr drohte und floh, um ihr zu entkommen. Doch er hatte sich geirrt und floh genau in die falsche Richtung! Es war wie bei einem Mann, der über die Bahngleise läuft und einen Zug auf sich zukommen sieht, und der dann zur Seite springt, um ihm zu entgehen – direkt vor einen anderen Zug.«
»Soll das heißen, dass Janos dem, was er in der Zukunft sieht, nicht vertrauen kann?«, wollte Darcy wissen.
»Er kann seinen Voraussichten vertrauen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Er sieht bloß ein breites Spektrum, nicht die Feinheiten. Und egal, was er sieht, er weiß, dass er dem nicht entgehen kann. Zum Beispiel wusste er, dass Faethor ihn vernichten würde, aber er sah auch weiter bis in eine Zeit, in der er zurückkehren würde. Er konnte Faethor nicht aufhalten und versuchte das eigentlich auch nicht, denn dem Unvermeidlichen kann man per Definition nicht entgehen, aber er konnte dafür sorgen, dass er zurückkam. Und das tat er auch.«
Manolis war all dem gefolgt, so gut er konnte, aber jetzt wurde ihm die Hoffnungslosigkeit der Lage bewusst. »Wie könnt ihr nur glauben, eine solche Kreatur vernichten zu können?«, fragte er. »Für mich scheint er unbesiegbar!«
Harry lächelte grimmig und bitter. »Unbesiegbar? Da bin ich mir nicht so sicher. Aber ich bin mir sicher, dass er will, dass wir genau das glauben. Sieh es doch einmal so: Wenn er unbesiegbar wäre, warum sollte er sich dann mit uns abgeben? Und warum macht er sich solche Sorgen meinetwegen? Nein, Igor Vlady hatte recht; die Zukunft ist nie sicher und nur die Zeit wird sie enthüllen. Und außerdem, was macht es für einen Unterschied? Wenn ich ihn nicht aufspüre, wird er mich jagen.« Er nickte. »Ja, es läuft alles auf
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