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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Dolmetscher.
    »Ach? Ja?« Gogosu blickte von einem Gesicht zum anderen. »Über mich? Rege ich eure Neugier an?«
    »Unsere Bewunderung«, korrigierte der Amerikaner raffiniert. »Du siehst aus wie ein Jäger, und zwar wie einer, der sein Handwerk versteht, das haben wir jedenfalls überlegt. Du kennst diese Gegend und die Berge hier wohl ziemlich gut?«
    »Es gibt niemanden, der sie besser kennt!«, versicherte Gogosu. Aber er war auch schlau und sah sie nun verschlagen an. »Ihr sucht nach einem Führer, habe ich recht?«
    »Das könnte schon sein.« Der andere nickte langsam. »Aber es gibt solche und solche Führer. Man bittet einen Führer, einem ein verfallenes Schloss in den Bergen zu zeigen, und sie versprechen einem das Blaue vom Himmel herunter. Das echte Schloss von Dracula, schwören sie dir. Und dann führen sie dich zu einem Steinhaufen, der aussieht, als wäre ein Schweinestall zusammengebrochen. Ja, Emil, danach suchen wir: Nach Ruinen. Zum Fotografieren, für Filme ... wegen der Stimmung und der Atmosphäre.«
    Der Wirt brachte ihnen ihre Getränke, und Gogosu schüttete seinen Schnaps in einem Zug in sich hinein. »Ach ja? Ihr wollt einen von diesen Kinofilmen drehen, nicht wahr? So’n richtiger Film? Der alte Vampir in seinem Schloss, der Mädchen mit wogenden Brüsten vor sich herjagt? Oh ja, ich habe die gesehen! Die Filme, meine ich. Unten in Lugoj, wo es ein Kino gibt. Nicht die Mädchen, hier ist’s Essig mit wogenden Brüsten, das kann ich euch verraten! Hier in dieser gottverlassenen Gegend gibt’s bestenfalls vertrocknete Vetteln, meine Jungs! Aber ich habe die Filme geschaut. Dahinter seid ihr also her? Ruinen ...«
    Trotz des vielen Branntweins, den er schon intus hatte, schien der alte Knabe plötzlich ernüchtert. Seine Augen waren nicht mehr ganz so starr und blickten weniger unstet, als sie die Amerikaner einen nach dem anderen musterten.
    Zuerst den Dolmetscher. Das war schon seltsam, wie er die Sprache beherrschte und so. Er war groß, weit über eins achtzig, mit langen Beinen, schmalen Hüften und breiten Schultern. Und jetzt, als Gogosu ihn näher betrachtete, merkte er, dass er nicht wie ein Amerikaner aussah. Da war noch etwas anderes an ihm.
    »Wie heißt du, he? « Der Jäger griff nach der Hand des jungen Mannes und wollte fester zufassen, aber sie wurde ihm sofort entrissen und verschwand unter dem Tisch.
    »George«, antwortete der Besitzer der verweigerten Hand, und beruhigte so Gogosus ersten Rückzugsgedanken. »George Vulpe.«
    »Vulpe?« Der Jäger lachte dröhnend auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Gläser tanzten. »Ja, ich habe im Laufe der Jahre einige Vulpes kennengelernt. Aber George? Wie passt ein Name wie George zu einem Namen wie Vulpe, hä? Na komm, seien wir ehrlich ... so unter uns ... das muss doch Gheorghe heißen, nicht wahr?«
    Die dunklen Augen seines Gegenübers wurden noch ein wenig dunkler, und er schien sich einen Moment lang zu verschließen, aber dann entspannte er sich und wechselte lächelnd einen wissenden Blick mit den grauen Augen des Jägers. »Du bist auf Zack, Emil. Und du hast eine gute Beobachtungsgabe. Ja, ich stamme ursprünglich aus Rumänien. Es gibt da eine Geschichte, aber das ist nichts Besonderes ...«
    Der knorrige alte Jäger sah ihn immer noch an. »Erzähl sie trotzdem«, sagte er und musterte ihn von oben bis unten. Der junge Mann zuckte mit den Schultern und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
    »Also, ich bin hier geboren, im Schatten der Berge«, sagte er mit einer Stimme, die so weich war wie sein trügerisch weicher Mund. Er lächelte und zeigte dabei perfekte Zähne.
    So sollten Zähne sein, dachte Gogosu, bei einem Mann, der erst sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre alt ist.
    »Ich bin hier geboren«, wiederholte Vulpe, »aber ich kann mich kaum noch an damals erinnern. Meine Leute stammen aus dem fahrenden Volk, und von ihnen habe ich wohl mein Aussehen. Du hast mich an meiner dunklen Haut erkannt, nicht wahr? Und den dunklen Augen?«
    »Ja«, Gogosu nickte, »und an den dünnen Ohrläppchen, die für goldene Ohrringe wie geschaffen sind. Und an der hohen Stirn und dem vorspringenden Kinn, wie es bei Zigeunern so häufig vorkommt. Ja, deine Abstammung ist leicht zu erkennen, wenn man weiß, worauf man achten muss. Was ist also passiert?«
    »Passiert?« Vulpe zuckte wieder die Achseln. »Meine Eltern sind in die Stadt gezogen. Sie haben sich niedergelassen. Aus ihnen wurden

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