ENTSEELT
Festung, eine Bastion. In den alten Zeiten war so etwas fast uneinnehmbar.«
Vulpe hatte etwas anderes gemeint. »Ich wollte nur wissen, warum die Leute hier nicht wissen sollen, wohin wir gehen?«
Gogosu war das Thema offenbar unangenehm. »Die Menschen hier sind abergläubisch, wie ich schon sagte. Dieser Höhenzug heißt hier nur die ›Szganyberge‹, weil das fahrende Volk einen solchen Respekt davor hat. Die Leute meiden diese Berge, und sie hätten bestimmt auch etwas dagegen, wenn sie wüssten, dass wir dorthin wollen.«
»Wegen der Ruinen?«
Gogosu wand sich noch immer. »Das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht besonders. Aber vor ein paar Wintern, als ich da oben versucht habe, einen Wolf zu schießen ... Die Leute haben mich hier wie einen Aussätzigen behandelt. In den Ausläufern der Berge gibt es Füchse, die auf den Bauernhöfen das Geflügel reißen, aber die Einheimischen weigern sich, sie zu jagen oder Fallen aufzustellen. Die sind einfach komisch in dieser Beziehung. Die Großväter erzählen hier Gespenstergeschichten, um die Jungen von den Bergen fernzuhalten, versteht ihr? ›Der alte Vampir in seinem Schloss‹ und so was.«
»Aber sie sehen doch, dass wir in diese Richtung marschieren?«
»Nein, weil wir einen Umweg machen werden.«
Vulpe war vorsichtig. »Aber wir betreten kein Sperrgebiet oder so etwas? Das da oben ist kein Militärgelände, oder?«
»Guter Gott, nein!« Gogosu verlor die Geduld. »Es ist so, wie ich gesagt habe: nur ein dummer Aberglaube. Das ist hier nun mal so, wenn jemand jung stirbt und es gibt keinen klar ersichtlichen Grund dafür, dann stecken sie der Leiche immer noch eine Knoblauchknolle in den Mund, bevor sie den Sarg zunageln. Ja, und manchmal gehen die auch noch viel weiter! Also belasst es dabei, bevor ich selbst noch Angst kriege, okay?«
Seth Armstrong mischte sich ein. »Ich höre immer wieder das Wort ›Szgany‹. Was bedeutet das?«
Für die Frage brauchte Gogosu keinen Übersetzer. Er drehte sich zu Armstrong um und erklärte ihm in radebrechendem Englisch: »Auf deutsch heißen sie ›Zigeuner‹, hier heißen sie ›Szgany‹. Das fahrende Volk.«
»Ja, die Zigeuner«, nickte Vulpe. »Meine Leute.« Er drehte sich um und sah in die staubigen gelben Räume im obersten Stock ihrer Pension. Er blickte durch die Räume, durch das Treppenhaus und durch die Rückwand nach draußen. Es war, als wäre das Haus kein Hindernis für seine Augen. Er legte den Kopf in den Nacken und ›sah‹ auf die grauen, seinem Auge verborgenen Gipfel der Zarandului hinaus, die sich nur ein paar Kilometer entfernt erhoben, und er stellte sich vor, wie sie zu ihm zurückstarrten. Und er dachte bei sich: Vielleicht haben die Einheimischen ja recht, und das ist eine Gegend, die man nicht betreten sollte.
Und lautlos antwortete ihm eine glucksende, geheimnisvolle, düstere und tückische Stimme, die sich zwar in seinem Kopf befand, jedoch nicht seinem Willen entsprang: Das ist sie, mein Sohn. Aber du wirst es doch tun, Gheorghe, du wirst es tun ...
Der Aufstieg war zunächst ganz einfach. Es war fast fünf Uhr nachmittags, und die Sonne senkte sich stetig dem diesigen Talgrund zwischen dem Gipfel Codrului und den westlichen Ausläufern der Zarandului entgegen. Gogosu versicherte ihnen jedoch, dass sie die Ruinen vor der Dämmerung erreichen würden. Sie würden sich einen Platz zwischen den eingestürzten Mauern suchen, ein Feuer entzünden und schließlich am Ort der Legenden essen und schlafen.
»Allein würde ich das nicht tun«, gab er zu, während er einen Hang hinaufstieg und den Weg zu einer Spalte in der bröckligen Felswand suchte. »Ganz bestimmt nicht! Aber wo wir doch zu viert sind, und alle munter und vergnügt? Was gibt es da zu fürchten?«
Vulpe, der Letzte in ihrer Kette, blieb stehen, um zu übersetzen und sich umzusehen. Die anderen bemerkten es nicht, aber er schien verwirrt. Die Gegend kam ihm bekannt vor. Ein Déjà-vu? Er ließ seine Gefährten ein Stück vorangehen.
Armstrong, der direkt hinter ihrem Führer ging, fragte: »Wovor sollte man denn da Angst haben?« Er drehte sich um, um Laverne die Hand zu reichen, der hinter ihm den Berg hinaufschnaufte.
»Nur vor der eigene Fantasie«, erklärte Gogosu, der die Frage anhand ihrer Tonlage gedeutet hatte. »Es ist nun mal sehr einfach, sich nicht nur bösartige Geister aus der Vergangenheit, sondern auch einen Haufen ganz realer Gefahren aus der
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