ENTWEIHT
reden!«
Es war wie ein Befehl, und prompt schwebte Jean Daniel wieder zurück. Was? (Er klang verwirrt.) Bist du jetzt auch noch magnetisch? Mir war, als spürte ich, wie du mich umdrehtest und an dich zogst. Doch schon im nächsten Augenblick meinte er: Nein, du bist nicht magnetisch. Es ist bloß deine Wärme, das ist alles. Wie ein Feuer einen Luftzug entfacht, ziehst du die Toten an. Oh ja, du bist der Necroscope, das stimmt schon! Aber du bestehst nicht allein aus Wärme und Licht, Jake Cutter, denn ich fühle auch die dunkle Seite in dir, ja, ganz recht, deine kalte Seite ...
Das konnte nur Korath sein. Und mit einem Mal begriff Jake, dass er der Großen Mehrheit – die ja im Nichts, dem Nirgendwo des Todes »existierte« – wie eine einsame Kerze im Dunkeln erscheinen musste, wie der warme Schein eine kleinen, flackernden Flamme. Doch aus demselben Grund musste Korath ihnen wohl wie eine noch tiefere Finsternis erscheinen, ebenso kalt wie der leere Raum zwischen den Sternen.
Auch Korath wusste dies – von Anfang an war es ihm klar gewesen – darum verhielt er sich still. Und Jake fühlte es, in seinem Hinterkopf spürte er ihn, wie er gespannt zuhörte. Zweifelsohne verfolgte der tote Vampir seine Fortschritte. Am besten machte er also einfach weiter, denn sollte er keinen Erfolg haben, würde Korath wieder anfangen zu lamentieren, sie vergeudeten hier bloß ihre Zeit.
»Jean Daniel«, sagte Jake, »damit wir uns recht verstehen: Ich halte genauso wenig von dir wie du von mir. Du hast versucht, mich zu töten … und die Frau umgebracht , die ich liebte, und dafür bezahlt. Meiner Meinung nach sind wir damit quitt. Allerdings gerade mal so, denn du hast jeden Schmerz hinter dir gelassen, ich dagegen fühle die Qual wie am ersten Tag.«
Ach, wirklich?, erwiderte der Franzose voller Sarkasmus. Na, da habe ich aber ein Glück! Während ich lediglich tot bin, ist es für dich eine ganze Ecke schlimmer, weil du deinen Schmerz tatsächlich noch fühlst, was? Und das ist meine Schuld und deshalb sollte ich mir mies vorkommen. Klar, ich verstehe. Lass mich mal nachdenken: Gib mir einfach eine Minute, damit ich mir überlegen kann, wie ich dir sage, wie betroffen ich wegen all dem bin, okay? Und in der Zwischenzeit – VERPISS DICH!
Jake achtete nicht weiter darauf. »Na gut!«, fuhr er zähneknirschend fort. »Wie es aussieht, hast du aus deinem Sterben keine Lehre gezogen. Im Tod bist du derselbe wertlose Bastard, der du im Leben warst. Vielleicht sollte mich das nicht allzu sehr überraschen, schließlich lautet eine feststehende Regel: Wir sind, was wir sind, und noch nicht einmal der Tod vermag uns zu ändern. Aber du hast etwas, was ich benötige, Jean Daniel, und ich möchte, dass du es mir gibst. Hier ist mein Vorschlag: Du redest mit mir, erzählst mir, was ich wissen muss, und im Gegenzug lasse ich dich in Frieden.«
Du willst also etwas von mir, eh? (Der Franzose lachte leise, wenn auch ein wenig schrill, auf.) Was ist das hier, etwa die Inquisition? Ich mag zwar in Avignon geboren sein, allerdings im zwanzigsten und nicht im dreizehnten Jahrhundert. Oh, ich weiß, was du möchtest, Necroscope! Hey, ich feiere zwar ganz bestimmt keine Feste mit der »High Society« hier unten, aber trotzdem bekomme ich einiges mit … du weißt schon, was ich meine? Zum Beispiel, dass du in letzter Zeit ziemlich beschäftigt warst, du kleiner Mistkerl, stimmt‘s?
Abermals war Jake instinktiv (durch den Instinkt eines anderen) klar, wovon der Tote sprach.
Ja, stimmt. (Ein körperloses Nicken von Jean Daniel.) Wilhelm »Willi« Stuker stand als Nächster auf deiner Liste, und anschließend Francesco »Frankie« Reggio. Du hast uns, mich und die beiden, einen nach dem anderen umgelegt, einfach so. Damit liegt doch irgendwie auf der Hand, was du vorhast und von mir willst, oder?
»Stuker?«, sagte Jake. »Diese fette, deutsche Schwuchtel? Hieß er so, Stuker?« Er schüttelte den Kopf. »Ich kannte seinen Namen nicht – nur seine hässliche Fratze.«
Tatsächlich?, meinte der Franzose. Nun, er sah ganz gewiss nicht besser aus, nachdem du mit ihm fertig warst! Er hat mir alles erzählt … wie du ihm den Plastiksprengstoff in den Hintern geschoben und dann den Zünder eingestellt hast, und als du weg warst, durfte er die Sekunden zählen, bis alles hochging. Ich meine, ich hatte meinen Tod nicht vor Augen, doch Willi … Gott, er wusste, was passieren würde! Er war im wahrsten Sinne des Wortes im Arsch
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