Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
ich David immer noch nicht richtig einschätzen konnte, war er auch nicht ganz unrealistisch. Immerhin schuldete er seinem Volk etwas. Er hatte versprochen, mir nichts zu tun, aber er hatte nicht versprochen, mich nicht bei seinem Rat als verdächtig zu melden. Panik durchfloss mich. Ich musste das Bild sofort in meinen Besitz bringen. Vielleicht war es noch nicht zu spät.
Mit aller Kraft stapfte ich in die Pedale und fuhr zu Davids Wohnung. Es war noch früh am Morgen , erst kurz nach sieben Uhr, und ich hoffte, dass er noch nicht zur Arbeit gegangen war. Ich spürte den eisigen Wind, der durch meine verschwitzten Joggingsachen fuhr und fing an zu frösteln. Ich trat stärker in die Pedale und kam schwer schnaufend vor Davids Wohnung an.
Schnell sperrte ich das Rad ab und klingelte Sturm an der Haustüre. Es dauerte nicht lange, bis David sich per Sprechanlage meldete.
„Lass mich rein“, fauchte ich ihm ohne eine Begrüßung oder meinen Namen zu nennen entgegen. Es herrschte kurz irritiertes Schweigen in der Leitung, dann summte die Tür und ich stieß so kräftig dagegen, dass sie weit aufschwang und krachend gegen die Innenwand schlug.
Ich stürmte die Treppe nach oben zu Davids Wohnung. Er stand hoch aufgerichtet in der Tür mit wachsamen Blick, so als befürchte te er, ihn würde gleich etwas überrollen, was ja auch durchaus stimmte, aber wahrscheinlich rechnete er mit etwas anderem als nur mit meinem Unmut.
Ich blieb vor ihm stehen und warf ihm einen finster entschlossenen Blick zu. „Wo ist mein Bild?“
Davids Blick schoss erst in den Hausflur hinaus, wie um sich zu vergewissern, dass niemand hinter mir her war, dann wanderte er eingehend über meine mal wieder äußerst derangierte Erscheinung und blieb dann mit einem unverständlichen Ausdruck im Gesicht in meinen Augen hängen. „Welches Bild?“, fragte er stirnrunzelnd mit ahnungsloser Miene, doch ich nahm ihm diese Arglosigkeit nicht ab.
„Wo ist es?“, wiederholte ich ungerührt und überrumpelte ihn damit, dass ich einfach an ihm vorbei in die Wohnung stürmte, doch er hatte schnelle Reflexe und reagierte sofort. Er fasste mich mit einer Hand am Arm und wirbelte mich zu ihm herum. Gleichzeitig schlug er die Wohnungstür mit der anderen Hand zu, wohl um unerwünschte Mithörer auszuschließen.
„Was ist passiert?“, fragte er mit finster zusammengekniffenen Augen und wieder glitt sein Blick über mein verschwitztes Sweatshirt.
Ich riss mit einer Wucht an meinen Arm, dass er mich erschrocken losließ. „ Was hast du mit Karims Bild gemacht?“, herrschte ich ihn an. Meine Augen mussten ziemlich böse funkeln, denn er machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts und sah mich mit Argwohn an. „Hast du es unter deinen Leuten rumgezeigt, damit jeder mich identifizieren kann?“, schoss ich mich weiter auf ihn ein, ohne ihm die Chance zu geben, sich zu verteidigen. „Da habe ich dir ja ein schönes Fahndungsfoto geliefert, was? Frei Haus. Du musstest dich nicht mal dafür anstrengen, ein so deutliches Bild von mir zu bekommen. Wahrscheinlich hast du dich innerlich halb kaputt gelacht über meine Naivität. Wo ich mich doch immer für so schlau halte. Dabei bin ich anscheinend tatsächlich das dämliche Geschöpf, für das du mich hältst. Du hast mich ein Wochenende lang aufgehalten, um deinen Leuten Zeit zu geben, das Bild von mir zu verteilen und ab heute bin ich zum Abschuss freigegeben, oder was?“
David musterte mich völlig verblüfft und fast hätte ich es ihm abgenommen, hätte sein Gesichtsausdruck sich nicht gleich darauf wieder in eine undurchdringliche, harte Maske verwandelt. „Was ist passiert? Hat dich jemand angegriffen? Wer?“
„Was k ümmert es dich, du hast deinen Part erfüllt“, gab ich bitter zurück. „Jetzt gib mir mein Bild.“
Sekundenlang warfen wir uns gegenseitig finstere Blicke zu, dann seufzte David genervt auf und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Erst jetzt fiel mir auf, dass er wieder seine typische Anwaltskluft trug. Eine gut sitzende, elegante Anzughose aus feinstem Zwirn und ein tailliertes, weißes Hemd, das sich so perfekt an seinen Oberkörper schmiegte, dass es maßgeschneidert sein musste. Er wirkte ganz wie der weltgewandte, erfolgreiche, kultivierte Geschäftsmann.
„Ich weiß nicht, wie du auf eine solch abstruse Idee kommst, aber ich habe nicht getan, wessen du mich bezichtigst. Du hast dein Bild hier vergessen und ich habe es für dich aufbewahrt. Ich habe es
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