Envy-[Neid]
zurück und beäugte Mike über die ganze Länge seiner Nase. »Du hättest eine Frau werden sollen.«
»Halten wir mal fest: Während dieses einen Gesprächs ist es dir gelungen, mich als Missgeburt zu bezeichnen und anschließend als heimlichen Trinker mit Verdauungsproblemen. Und jetzt beleidigst du mich als Mann.«
»Du bist neugierig wie ein altes Weib, das nichts Besseres zu tun hat, als seine Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.«
»Parker, Maris geht auch mich etwas an.«
Sein scharfer Ton gab dem Gespräch einen gänzlich anderen Charakter. Das Vorgeplänkel war vorbei. Parker wandte sich ab und starrte auf den Ozean hinaus, der an diesem Nachmittag ruhig dalag. Ein Spiegel, der der Sonne ein messingfarbenes Ebenbild zurückwarf.
Wie jeden Tag zu dieser Stunde flog eine kleine Staffel Pelikane dicht über die Baumwipfel zu ihrem nächtlichen Schlafplatz. Parker kam ins Grübeln. War es beengend oder tröstlich, wenn man zu einer derart eingeschworenen Gruppe gehörte? Er konnte sich nicht erinnern, was es hieß, einer Familie, einer Verbindung oder irgendeiner individuellen Gruppe Menschen anzugehören. Dazu war er zu viele Jahren ein Einzelgänger gewesen.
Mackensie Roone wurde von Lesern auf der ganzen Welt geliebt. Er hatte seinen Platz auf ihren Nachtkästchen und in ihren Aktentaschen. Er begleitete sie an den Strand, auf die Toilette und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie nahmen ihn in die Badewanne und ins Bett mit. Er genoss mit ihnen eine seltene Intimität.
Dagegen kannten Parker Evans nur wenige. Und geliebt wurde er von niemandem. Natürlich hatte er sich dazu aus freien Stücken entschieden. Was auch nötig gewesen war. Trotzdem war ihm in letzter Zeit allmählich bewusst geworden, welchen enormen Preis er für seine Einsiedlerjahre bezahlt hatte. Ans Alleinsein hatte er sich im Laufe der Zeit gewöhnt. Allerdings fühlte er sich seit kurzem irgendwie einsam. Und das war ein Unterschied. Dieser Unterschied trat in dem Moment offen zu Tage, wenn man realisierte, dass man weniger gern allein als mit einem anderen Menschen zusammen war. Dann verwandelte sich das Alleinsein in Einsamkeit.
Er schob das drohende Gefühl der Verzweiflung weit weg und entschuldigte sich leise bei Mike, weil er ihn in seine Intrige einbezogen hatte. »Ich weiß, du fühlst dich in gewissem Maße verantwortlich, und ich bewundere dich für deine Gewissensbisse.«
»Auf deine Bitte hin habe ich bei diesem lächerlichen Test mitgespielt, dem wir sie unterzogen haben. War das wirklich nötig?«
»Vermutlich nicht«, gestand Parker gedämpft.
»Ich hätte ihr sagen können, dass du Mackensie Roone bist. Hätte so tun können, als sei mir das versehentlich rausgerutscht. Dann wärst du zwar wütend auf mich gewesen, aber das hätte sich wieder gelegt. Stattdessen habe ich die ganze Scharade mitgespielt, und dafür schäme ich mich vor mir selbst.«
»Tu das nicht, Mike. Dich trifft kein Vorwurf. Alles ist mein Werk. Ich bin hier der Schuldige, nicht du, von Anfang bis Ende, was auch immer das sein wird.«
»Trotzdem entschuldigt das nicht meine freiwillige Teilnahme.«
Mit einem reumütigen Achselzucken sagte Parker:
»Nein, aber etwas Besseres habe ich nicht anzubieten.«
Sie verfielen in lastendes Schweigen. Schließlich hob Mike seine Lesebrille auf, womit er Parker, ohne es zu wissen, an Maris und ihre Brille erinnerte, die sie bei ihrer letzten Begegnung getragen hatte. Was gut und gerne tatsächlich ihre Letzte gewesen sein konnte.
»Anscheinend haben sich die beiden jungen Männer restlos versöhnt«, merkte Mike beim erneuten Durchblättern an. »Ich spüre zwischen ihnen keinerlei unterschwellige Feindseligkeit mehr.«
»Nach dem Zwischenfall mit Hadley hat Roark so getan, als sei es nie dazu gekommen«, erklärte Parker. »Er entschied sich bewusst dafür, ihre Freundschaft darunter nicht leiden zu lassen.«
»Ein nobler Zug. Trotzdem ist er immer noch…«
»Ja«, unterbrach ihn Parker und ergänzte damit den Gedanken des anderen Mannes. »Wie ein hässliches Muttermal, das von Geburt an ein ansonsten hübsches Kindergesicht verunstaltet. Keiner von beiden will sich diesen Makel an ihrer Freundschaft eingestehen. Beide sehen darüber hinweg in der Hoffnung, dass er im Laufe der Zeit, wie manche Muttermale, schwächer wird und schließlich ganz verschwindet. Und irgendwann einmal kann sich dann keiner mehr erinnern, dass das Baby einmal so etwas gehabt hat.«
»Gute
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