Envy-[Neid]
herausbekommen, genau wie sein erfolgreiches Pseudonym. Schon vor Jahren, als die Deck-Cayton- Krimis regelmäßig auf den Bestsellerlisten auftauchten, hatte er versucht, seiner Agentin den wahren Namen des Autors mit Schmeichelei, sanftem Druck, Erpressung und sogar offener Drohung zu entlocken, in der Hoffnung, den Schriftsteller zu Matherly Press locken zu können.
Aber die Dame hatte sich nicht einschüchtern lassen, nicht einmal vom ehrwürdigen Daniel Matherly. »Daniel, wenn ich Ihnen das verriete, müsste ich Sie umbringen.« Unerschütterlich hatte sie die Identität ihres Klienten vor Enthüllung geschützt, wofür Daniel sie widerwillig bewundert hatte.
Aber jetzt kannte er sie.
Mehrere Wochen hatte er einen Privatdetektiv mit Nachforschungen beauftragt. In der Hoffnung, seine Bedenken gegen Noah würden sich als falsch erweisen, hatte er den Detektiv gebeten, in der Vergangenheit seines Schwiegersohns herumzustochern, einschließlich seines Lebens vor dem Erscheinen von Vernichtet.
Schon der Gedanke an heimliche Nachforschungen hatte ihn angewidert. Seiner stets kühnen und aufrechten Haltung widersprach die Heimlichtuerei, die mit einem Privatdetektiv zusammenhing. In seiner Fantasie sah er sich schon im Verbund mit einer schmierigen Figur aus zweitklassigen Filmen samt fleckiger Krawatte und hämischem Grinsen über nikotingelben Zähnen.
Als aber William Sutherland zu ihrem diskreten Termin eintraf, widerlegte er diese Stereotype. Sutherland, ein pensionierter Geheimdienstagent im gut geschnittenen dunklen Anzug, hatte eine teure Elite-Agentur gegründet. Er hatte einen kräftigen Händedruck, trat bestimmt auf und verfügte über eine eindrucksvolle Klientenkartei.
Binnen fünf Minuten nach dem ersten Händedruck umriss Daniel bereits seine Wünsche. Dass er aus Sutherlands erstem Bericht die wahre Identität des Romanautors Mackensie Roone erfuhr, hätte Daniel zuletzt vermutet. Danach hatte er eigentlich nicht gesucht. Eines der bestgehüteten Geheimnisse der Verlagsbranche war ihm völlig unerwartet in einem versiegelten braunen Umschlag in den Schoß gefallen.
Aber die wahrhaft umwerfende Enthüllung sollte noch kommen: Parker Evans und Noah Reed hatten eine gemeinsame Vorgeschichte.
Sie hatten auf einer Universität in Tennessee ein Zimmer geteilt und nach dem Studienabschluss zusammen in Key West gelebt, wo sie sich irgendwie entzweit hatten. Nähere Einzelheiten darüber waren bisher unbekannt. Sutherland trieb derzeit seine Nachforschungen voran, und Daniel war überzeugt, dass sämtliche Fakten in Bälde enthüllt wären.
Inzwischen hatte er die ihm bekannten Informationen zusammengefügt. Allein diese böten hinreißenden Romanstoff. Maris wohnte momentan auf einer abgelegenen Insel in einer Pflanzervilla, die Parker Evans gehörte, dem Exfreund ihres entfremdeten Mannes, von dem sich Letzterer im Streit getrennt hatte. Schon diese Synopse bot alles, was einen saftigen Roman ausmachte: Freundschaft, Liebe, Hass, Betrug, Rache. Neid? Vielleicht auch das.
Das Einzige, was diesem Szenarium fehlte, war ein Motiv für die Hauptfigur, Parker Evans.
Mit diesem Buch hatte er Maris zu einem ganz bestimmten Zweck angelockt. Die Wahl war nicht zufällig auf sie gefallen. Was hatte ihn bewogen, sich mit Maris einzulassen, und sei es auch nur in rein beruflicher Hinsicht, wo er doch wissen musste, dass sie Noahs Frau war?
War sie sich dieser Querverbindung bewusst? In Anbetracht von Noahs Untreue wäre es gerechtfertigt, es ihm mit seinem ehemaligen Verbindungsbruder heimzuzahlen. Allerdings sah ihr eine derart kindische Revanche nicht ähnlich.
Daniel bezweifelte, dass sie Bescheid wusste. Wenn ja, hätte sie gezögert, sich in Parker Evans zu verlieben. Und verliebt hatte sie sich. Das wurde mit jedem Tag deutlicher.
Gern hätte Daniel ihr neu gefundenes Glück gefeiert, allerdings stand er dieser aufkeimenden Romanze so lange argwöhnisch gegenüber, bis er den wahren Grund kannte, aus dem Parker diese Ereigniskette ersonnen hatte. Am liebsten hätte er diesen Mann gleich persönlich oder über Sutherland konfrontiert und darauf bestanden, zu erfahren, welche Story er ausgeheckt hatte. Allerdings konnte er das nicht tun, ohne Maris und Noah einen Wink zu geben.
Und dazu war er noch nicht bereit. Bald wäre es so weit, aber eben noch nicht ganz.
Deshalb musste er gezwungenermaßen den rechten Moment abpassen, während Sutherland noch tiefer grub. Möglicherweise würde Evans’ Motiv
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