Envy-[Neid]
seiner Privatsphäre. Er kniff die Lippen zu jener schmalen Linie zusammen, die jeder wieder erkannte, der je seiner strengen Missbilligung ausgesetzt gewesen war. »Er lag zu Hause in meinem Schreibtisch – verschlossen.«
»Ja, ich weiß. War nicht ganz einfach, aber ich hab ihn schließlich doch gefunden. Interessante Lektüre.«
»Fand ich auch«, sagte Daniel steif.
»Hast du wirklich gedacht, ich wüsste nicht, dass man mir nachspioniert?«, fragte Noah und lachte leicht. »Dein Bluthund ist gut, Daniel, sicher der beste, den man für Geld kaufen kann. Mit Geheimdiensttraining und allem. Trotzdem hat er an einen Freund eine Frage zu viel gestellt.«
»Laut diesem Bericht hast du keine Freunde.«
»Dann nenn meinen Tennispartner einen Bekannten. Schlaues Kerlchen. Jedenfalls schlau genug, um Sutherlands lahme Gründe für seine Nachforschungen zu durchschauen.« Bis jetzt hatte sein Lächeln gehalten, nun verschwand es. »Mich würde ja nur interessieren, wann diese Überwachung begonnen hat.«
Es gab keinen Grund, den Begriffsstutzigen zu spielen oder ausweichend zu antworten. »Ich hatte es schon monatelang erwogen. Aber tatsächlich gemacht habe ich es erst nach deiner vorgezogenen Party zum Hochzeitstag.«
»Warum da?«
»Weil ich seit diesem Abend überzeugt war, dass du ein gerissener Betrüger und Lügner bist.«
Bis auf eine fragend hochgezogene Augenbraue behielt Noah sämtliche Mimik ganz weltmännisch unter Kontrolle »Tatsächlich?«
»Ich weiß nicht, ob du uns von vorneherein getäuscht hast, oder ob du so lange den schmalen Pfad der Tugend gewandelt bist, bis Morris Blume an dich herantrat, damit du meinen Verlag unter meinen Augen verkaufst. Ich ziehe es vor, Letzteres zu denken, weil mich das weniger zum Narren abstempelt, der tatsächlich von dir angetan war. Aber ich fürchte, niemand kann sich so schnell und in so kurzer Zeit deine Begabung zum Doppelspiel aneignen und sie perfektionieren. Sie ist gehegt und gepflegt worden…«
»Daniel, allmählich wirst du redundant. Du sagtest bereits, dass ich ein erfahrener Lügner sei.«
»Ganz recht. Bei der Party in der Wohnung in Chelsea habe ich dich bei mehreren Lügen ertappt. Während es für einige eine hinreichende Erklärung gab, weil du Maris überraschen wolltest, haben mich andere beunruhigt. Außerdem sah dir eine derart langfristige Vorausplanung für ein Fest nicht ähnlich, da du dich normalerweise jedes Mal auf deine Sekretärin verlässt, wenn es darum geht, Maris ein Geschenk zu kaufen. Deshalb habe ich angefangen, dich sorgfältig zu beobachten und hinter die Fassade zu schauen, hinter jenen Menschen, den du der Welt präsentierst. Dabei begann ich, den wirklichen Noah zu sehen.«
»Wie klug von dir, Daniel.«
»Nein. Wenn ich wirklich klug gewesen wäre, hätte ich mich erst gar nicht täuschen lassen. Auf diese Maskerade verstehst du dich gut, Noah. Außergewöhnlich gut sogar. Außerdem hast du als Geschäftsmann und Verleger Stehvermögen bewiesen. Ich habe deine Fähigkeiten schon lange vor deinem Eintritt bei Matherly Press bewundert. Vernichtet hat mich genauso beeindruckt wie Maris. Deshalb nahm ich fälschlicherweise an, nur ein integrer Mensch könne ein ebenso integres Buch verfassen.«
Noah verschränkte die Arme vor der Brust und betonte dann lächelnd: »Daniel, dabei handelt es sich um Fiktion. Es war kein Zufall, dass ich Vernichtet aus dem demütigen Blickwinkel eines rechtschaffenen Hinterwäldlers geschrieben habe. Ich habe keine Figuren mit hehren Idealen geschaffen, weil sie meinen eigenen Prinzipien entsprechen, sondern weil ich weiß, dass man damit Bücher verkaufen kann. Otto Normalverbraucher möchte glauben, dass es derart heldenmütige Menschen tatsächlich gibt, dass das Gute das Böse besiegen kann, und die Tugend bereits an und für sich ein gerechter Lohn ist. Solcher Bockmist törnt ihn an.
Vernichtet troff förmlich von dieser blöden Südstaaten- Sentimentalität, die mir meine Eltern eingetrichtert haben. Die musste ich während meiner Jugend schlucken. Also habe ich sie mir zu Nutze gemacht und in allen Details in den Roman einfließen lassen, damit ich sie endgültig zwischen zwei Buchdeckeln begraben konnte.« Noah grinste.
»Die Heldin mit den tränenumflorten Augen«, fuhr er verächtlich fort, »der tapfere Held, trotz seiner Fehler. Ihre aufwühlende Liebesgeschichte, die unter einem Unstern stand. Jedes Wort war Quatsch im hübschen Prosakleid. Darauf habe ich gepfiffen.
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