Envy-[Neid]
Reiz machten weder Form noch Lage aus, sondern einzig und allein der Preis. Sie erwarben es billig.
Zuerst kam also das Grundstück und nicht das architektonische Modell. Sie entwarfen ein Gebäude, das darauf passte. Sie entschieden sich nicht für ein Gelände, das ihrem Entwurf entgegenkam. Möglicherweise bemerkten einige Mitglieder nach der Fertigstellung, dass das Haus tatsächlich ihrem rautenförmigen Wappen glich, aber diese Ähnlichkeit war purer Zufall.
Dann traf im Jahre 1928 ein Planungskomitee zur Erweiterung der Universität eine glückliche Entscheidung: Die Hauptstraße, die den Campus in zwei Teile schnitt, sollte in eine intensiv begrünte Fußgängerzone umgewandelt werden. Der motorisierte Verkehr wurde auf jene Straße umgeleitet, die an besagtem Studentenwohnheim mit dem ungewöhnlichen Grundriss vorbeilief.
Nachfolgend verlieh diese Lage an der Hauptkreuzung ihrer Verbindung – ohne geniales Zutun der Gründerväter – eine Vorrangstellung auf dem Campus, um die sie alle anderen beneideten.
Die Front des dreistöckigen Hauses, von der links und rechts im 45-Grad-Winkel Seitenflügel abgingen, schaute in die Ecke des Grundstücks. Zwischen diesen Flügeln befanden sich auf der Gebäuderückseite eine begrenzte und völlig unzureichende Zahl von Parkplätzen, netzlose Basketballkörbe, überquellende Abfalleimer, zwei verrostete Grillstellen und ein Maschendrahtzwinger, den der Labrador Brew belegte, das schokoladenbraune Verbindungsmaskottchen.
Die Fassade des Gebäudes war weitaus imposanter. Die gepflasterte Auffahrt zum Haupteingang säumten Bradford-Birnbäume, deren schneeweiße Blüte die natürliche Dekoration für das alljährliche offizielle Frühlingsfest bildete.
Fotografien dieser Bäume in voller Blüte tauchten häufig auf den Umschlägen von Vorlesungsverzeichnissen und Universitätsbroschüren auf, was rivalisierende Verbindungen grollen ließ. Sobald Drohungen von Kettensägenattacken zirkulierten, wurde die ehrenhalbe Aufstellung von Wachen rund um die Uhr eingefordert. Ein Absägen der Bäume würde nicht nur das Ansehen der Verbindung auf dem Campus schmälern. Ohne sie sähe ihr Wohnheim nackt aus.
Im Herbst färbten sich die Blätter der Bradford-Birnen leuchtend rubinrot, genau wie an diesem besonderen Samstagnachmittag. Auf dem Campus war es untypisch ruhig. Das Football-Team spielte auswärts. Bei einem Heimspiel wäre laute Musik aus dem offenen Hauptportal des Verbindungsheims gedrungen. Mitglieder, Freundinnen, Eltern und Ehemalige hätten sich dort lärmend versammelt.
An Spieltagen gab es einen kilometerlangen Verkehrsstau. Und da jedes Fahrzeug auf dem Weg zum Stadion besagte Kreuzung passieren musste, genossen die Mitglieder einen Tribünenplatz bei dieser Stoßstangen- Parade. Für die Fans rivalisierender Teams hagelte es Buhrufe, während man mit den Studentinnen flirtete, die dies ihrerseits erwiderten und manchmal einer spontanen Einladung folgten und aus den Autos kletterten, um bei der Party im Haus mitzufeiern. Woraus sich nachweislich bereits mehrere Romanzen und einige Hochzeiten ergeben hatten.
An Spieltagen leuchtete der Campus purpurrot. Wer die Universitätsfarbe nicht am Leib trug, winkte damit. Bereits Stunden vor dem Anstoß hallten die Blechinstrumente und Trommeln der Blaskapellen über das Areal. Überall herrschte festlich aufgeladene Hochstimmung.
Aber heute lag alles wie verlassen da. Das trübe Wetter regte nicht zu Freiluftaktivitäten an. Die Studenten nutzten den Tag, um Schlaf, Lernstoff oder Wäschewaschen nachzuholen – Dinge, zu denen unter der Woche keine Zeit blieb.
In den dunklen stillen Dielen des Verbindungshauses muffelte es nach Bier und Jungmännern. Nur wenige Mitglieder saßen um einen Breitbildfernseher herum, den ein erfolgreicher Alter Herr dem Hause im Vorjahr gestiftet hatte. Es lief ein NCAA-Footballspiel, auf das gewettet wurde. Ab und zu drang über die Treppenhäuser ein gedämpfter Jubelruf oder ein Stöhnen zu den Studentenbuden im ersten und zweiten Stock, ohne dass dies die schläfrige Ruhe der Korridore gefährdet hätte.
Eine Ruhe, die ein »Roark! Du Arschloch!« zerriss, unmittelbar gefolgt von heftigem Türenknallen.
Roark duckte sich blitzschnell vor dem nassen Handtuch, das seinem Kopf galt, und fing an zu lachen.
»Hast du ihn gefunden?«
»Wem gehört der?« Todd Grayson fuchtelte mit einem Styroporbecher herum, in dem seine Zahnbürste steckte. Was nicht weiter bemerkenswert gewesen
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