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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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den Wald zu ignorieren, obwohl sie sich dann doch einen verstohlenen Blick in die Bäume nicht verkneifen konnte.
    »Oh!«, rief sie.
    »Was ist?«
    »Leuchtkäfer. Da im Unterholz.«
    »Glühwürmchen«, sagte er. »Hier unten sagen wir Glühwürmchen dazu.«
    »Seit Jahren habe ich keine mehr gesehen.«
    »Insektenvernichtungsmittel.«
    »Leider. Als kleines Mädchen habe ich sie immer in der Nähe unseres Landhauses beobachtet. Ich habe sie gefangen, in ein Marmeladenglas gesetzt und über Nacht neben mein Bett gestellt.«
    »Ich auch.«
    Überrascht drehte sie sich zu ihm um. »Wirklich?«
    »Jaaa. Unsere Nachbarskinder haben regelrecht darum gewettet, wer die meisten fangen kann.«
    Also hatte er Leuchtkäfer fangen können und nicht im Rollstuhl gesessen. Obwohl sie natürlich wissen wollte, woher seine Behinderung rührte, war sie zu höflich zu fragen.
    Er war nicht der erste Körperbehinderte, den sie kannte. Vor solchen Menschen, die das Beste aus ihrem Unglück machten, hatte sie enormen Respekt. Einige zählten zu den optimistischsten und fröhlichsten Personen, die ihr je begegnet waren. Was ihnen an physischem Durchhaltevermögen und Kraft abging, machten sie durch Mut und mentale Tapferkeit wieder wett.
    Anscheinend besaß Parker Evans jene Urgewalt körperlich behinderter Triathleten, die an Ironman- Wettkämpfen teilnahmen; Männer und Frauen, die wahre Herkulestaten vollbrachten, allein mit den Muskeln ihrer Arme – und schierer Willenskraft. Häufig handelte es sich dabei um Sportler oder sonstige aktive junge Leute, deren Lieblingsbeschäftigungen in einer einzigen schicksalhaften Sekunde für immer ein Ende gefunden hatten. Opfer tragischer Unfälle. Welches Ereignis hatte wohl Parkers Leben derart dramatisch verändert?
    Verstohlen musterte sie ihn jetzt über den Tisch. Obwohl er an der Brotkruste auf seinem Teller herumzupfte, schien er ihre Blicke zu spüren, denn er hob die Augen und ertappte sie. Ungeniert sah er sie seinerseits an.
    Er war zweifellos attraktiv, obwohl jahrelange Schmerzen, Unglück oder Desillusionierung, oder eine Kombination aus allem, Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatten, die ihn älter wirken ließen, als er vermutlich war. Wenn er lächelte, was selten geschah, schwang ein Hauch Verbitterung mit. Seine dichten braunen Haare hatten graue Strähnen. Vermutlich war ein Gang zum Friseur unwichtig. Er trug zwei Tage alte Bartstoppeln im Gesicht.
    Seine Augen hatten keine eindeutige Farbe. Am ehesten hätte man sie mit einem unauffälligen Haselnussbraun umschreiben können, wenn da nicht einige bernsteinfarbene Flecken auf der Iris gewesen wären. In Verbindung mit seiner erstaunlichen Fähigkeit, etwas unglaublich lange unverwandt zu fixieren, verlieh dies seinen Augen eine magische Anziehung.
    Wie er sie jetzt so anstarrte, schien er ihre Gedanken ganz genau zu kennen. Sein Blick forderte sie heraus. Na los, schien er zu sagen. Du willst doch unbedingt wissen, warum ich in diesem Stuhl sitze. Warum fragst du dann nicht einfach?
    Auf diese Mutprobe würde sie sich nicht einlassen. Nicht jetzt. Erst wenn sie ihn besser kannte, bzw. wenn sie wenigstens seine mündliche Zusage hatte, dass er sein Buch zu Ende schreiben würde.
    »Mr. Evans, haben Sie schon weitergeschrieben?«
    »Möchten Sie noch einen Eistee?«
    »Nein, danke.«
    »Noch ein Sandwich?«
    »Danke, ich bin satt. Haben Sie noch mehr Lesestoff für mich?«
    Er schaute Mike ostentativ an. Der verstand den Hinweis. »Entschuldigt mich, aber ich muss noch ein bisschen aufräumen.« Damit stand er auf und verließ durch eine Schiebetür das Zimmer.
    Kaum war Mike außer Hörweite, sagte er: »Sie sind eine sehr zielstrebige Frau.«
    »Danke.«
    »Das war nicht als Kompliment gemeint.«
    »Ich weiß.«
    Er stieß sich vom Tisch ab, wendete seinen Stuhl und starrte durchs Fenster, als könnte er trotz der Dunkelheit die Brandung sehen. Maris ließ ihm Zeit. Für den Fall, dass er gerade das Für und Wider einer Entscheidung abwog, wollte sie nichts sagen, was die Waagschale zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.
    Nach einiger Zeit wandte er sich wieder um. »Halten Sie es tatsächlich für so gut?«
    »Glauben Sie, ich würde mit einer lauwarmen Reaktion auf Ihren Text an einen derart entlegenen Flecken auf der Landkarte reisen?«
    »Etwas einfacher, bitte.«
    »Ja, Mr. Evans, es ist gut.«
    Er schaute sie verzweifelt an. »Meine Zunge war schon in Ihrem Mund. Finden Sie dieses ›Mr. Evans‹ da nicht auch

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