Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
gebettelt, gedroht. Ich habe ihm den Hof gezeigt. Die Greise, die die Arbeit von Männern verrichten müssen. Die Felder, die veröden, und die Ernten, die das Ungeziefer auffrißt, weil keiner mehr da ist, sie einzubringen! Er hat nur gelacht.«
Skar erinnerte sich des heftigen Streites zwischen Cron und dem in dem buntbestickten Mantel. Jetzt wußte er wenigstens, worum es dabei gegangen war. Nur verstand er es nicht. Jedes Wort, das Cron sprach, steigerte seine Verwirrung eher noch. Mit einer hilflosen Geste wandte er sich an Titch. »Wovon redet er?«
»Später«, sagte Cron rasch. »Er kann dir alles erklären. Der Weg, der vor euch liegt, ist weit genug, und ihr werdet froh sein, etwas zum Reden zu haben. Jetzt ist keine Zeit.«
»Welcher Weg?« fragte Titch.
Cron lachte leise. »In die Höhlen von Caran.«
Was immer sich hinter diesem Namen verbarg — es reichte aus, Titch unter seinem Schuppenpanzer erbleichen zu lassen. »Du —«
»Ich«,
unterbrach ihn Cron mit erhobener Stimme und Hand, »bin vielleicht ein Feigling, Titch, aber ich bin nicht halb so dumm, wie du glaubst.« Er lachte hart. »Ich habe die Lügengeschichte, die du mir aufgetischt hast, keine Sekunde lang geglaubt. Ich bin selbst ein zu guter Lügner, um die Unwahrheit nicht zu erkennen, wenn ich sie höre. Vor allem, wenn sie von einem kommt, der das Lügen so wenig gewohnt ist wie du, Titch.« Er beugte sich leicht im Sessel vor und deutete mit der Hand auf Skar. »Ihr wollt nach Ninga, du und dieser Satai und das Menschenjunge, das euch begleitet. Ich weiß nicht, was ihr dort wollt, und ich denke, es ist vielleicht sogar besser, wenn ich es nicht weiß. Aber ich weiß, daß ihr ganz bestimmt nicht dorthin wollt, weil du deine Familie suchst, Titch. Und diese beiden sind nicht bei dir, weil du irgendein närrisches Gelübde abgelegt hast.«
Skar sah Titch verwundert an. »Ist es das, was du ihm erzählt hast?«
»Und wenn?« knurrte Titch.
»Dann hat er recht«, antwortete Skar. »Jedes Kind hätte sich eine bessere Geschichte ausdenken können.«
»Ich kann euch helfen«, sagte Cron. »Es ist möglich, in den Tempel einzudringen. Es ist schwer, aber es ist möglich. Ich kann euch sagen, wie.«
»Wie kommst du auf die Idee, daß wir das wollen?« fragte Skar mißtrauisch.
»Weil du stirbst, Satai«, antwortete Cron. »Weil das Menschenjunge und du den Tod in euch tragt.«
»Unsinn«, sagte Titch.
»Ich habe mit Scrat gesprochen«, erwiderte Cron seufzend, in einem Ton, als rede er mit einem uneinsichtigen Kind. »Deine Freunde sterben. Das Weibchen irgendwann, er —« Er deutete wieder auf Skar. »- schon bald. In wenigen Wochen, vielleicht eher. Ihr wollt in den Tempel. Ihr wollt das Wasser des Lebens stehlen, um ihre Leben zu retten.« Er zögerte spürbar. »Aber ihr wollt noch mehr«, fuhr er fort. »Ich weiß nicht was. Ein Mann wie du würde nicht sein Leben und seine Ehre aufs Spiel setzen, um einen
Menschen
zu retten.«
»Du täuschst dich, Cron«, sagte Skar. Plötzlich hatte er das absurde Bedürfnis, Titch zu verteidigen. »Titch ist… nicht mehr der, als den du ihn kennengelernt hast. Er würde es tun. So wie ich für ihn«, fügte er hinzu.
»Und wenn!« erwiderte Cron hart. »Er ist ein Krieger, und Krieger ändern sich nicht. Nicht so. Aber es spielt keine Rolle mehr. Und es ist mir gleich. Von mir aus reißt diesen verdammten Tempel nieder. Ich schlage euch ein Geschäft vor, dir und deinem Krieger-Freund.«
»Was für ein Geschäft?«: fragte Titch mißtrauisch.
»Den Weg nach Ninga gegen das Leben meiner Jungen«, antwortete Cron. »Ihr bekommt, was ihr braucht — Pferde, Nahrung und Waffen, und das geheime Wort, das euch den Weg in die Höhlen weist.«
Titchs Überraschung war nicht zu übersehen. »Du —?!«
»Ich kenne es, Titch«, bestätigte Cron mit einem leisen, fast spöttischen Lachen. »Oh, ich weiß, du hast mich immer verdächtigt, in Wahrheit zu ihnen zu gehören. Aber du hast es mir nie beweisen können, nicht? Ich weiß, daß du es versucht hast.
Hättest du auch nur geahnt, wie sehr mich dein Herumspionieren und Forschen amüsiert hat, in all den Jahren, du hättest mich schon aus bloßem Zorn erschlagen.« Er schüttelte den Kopf, als Titch ihn unterbrechen wollte. »Du hattest recht, Titch. Ich gehöre zu ihnen. Ich
bin
einer von ihnen. Und ich bin nicht der einzige. Es gibt mehr von uns, als ihr ahnt.«
»Warum… erzählst du mir das alles?« fragte Titch zögernd.
Sein
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