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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tonscherben zu seinen Füßen einen Tritt, der sie im ganzen Zimmer herumfliegen ließ. Mit einem Male verspürte er eine geradezu unbändige Lust, irgend etwas zu packen und zu zerschlagen. »Was willst du von mir?« fuhr er Kiina an. »Bist du nur hierhergekommen, um dich über mich lustig zu machen?« »Nein«, antwortete Kiina. Sie schob trotzig die Unterlippe vor und funkelte ihn an. »Ich bin eigentlich gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen. Aber ich glaube, ich hätte mir den Weg sparen können. Verzeiht, daß ich Euch gestört habe, Herr.« Sie wandte sich brüsk um und wollte gehen, aber Skar hielt sie zurück.
    »Warte«, sagte er. »Ich... es tut mir leid. Bleib — bitte.« Er ließ ihren Arm los, lächelte entschuldigend und fuhr sich mit der anderen Hand über das Gesicht. Sein grober Ton tat ihm leid; er schämte sich, wenn auch mehr vor sich selbst als Kiina gegenüber. »Bleib«, bat er noch einmal.
    Er hätte seine Bitte gar nicht zu wiederholen brauchen. Kiinas Zorn war so schnell verflogen, wie er gekommen war; sie schien nicht einmal mehr verärgert, sondern sah ihn nur noch mit einer Art vorsichtigem Interesse an — auf genau die Art, dachte Skar, auf die man ein Tier betrachten mochte, von dem man wußte, daß es gefährlich war, aber nicht angreifen würde, solange man es nicht provozierte.
    »Es tut mir leid, daß ich so grob zu dir war«, entschuldigte er sich. »Heute nachmittag, meine ich.«
    »Hehe«, entgegnete Kiina.
»Ich
bin es, die um Verzeihung bitten wollte. Verdirb mir doch nicht den ganzen Spaß, Satai.« Skar blickte irritiert auf sie hinab, aber dann gewahrte er das spöttische Glitzern in ihren Augen, und plötzlich lachten sie beide. Aber Kiina wurde sehr rasch wieder ernst.
    »Ich habe mit dem Hohen Satai gesprochen«, fuhr sie fort.
    »Und mit Bradburn. Ich ... habe mich ziemlich dumm benommen, glaube ich. Aber ich wußte nicht, daß den Satai ihre Kleider heilig sind.«
    »Nicht ihre Kleider«, antwortete Skar. »Das, was sie symbolisieren.« Er machte eine bewußt übertrieben wegwerfende Handbewegung. »Aber du hast recht — du wußtest es nicht. Ich hätte es berücksichtigen müssen. Es tut mir leid.«
    »Ja«, antwortete Kiina. »Und wenn wir damit fertig sind, uns unentwegt beieinander zu entschuldigen, dann können wir vielleicht damit anfangen, miteinander zu reden.«
    Skar blieb ernst, obwohl Kiinas Blick ihn zu einem neuerlichen Lachen herausforderte. »Ich kenne die Frage, die du mir stellen willst«, sagte er leise. »Und du die Antwort. Wir können nicht nach Elay gehen. Weder dieses Heer noch du und ich.«
    Kiina schwieg eine Weile. Sie hatte sich gut in der Gewalt, stellte Skar anerkennend fest; gut genug, um zu verheimlichen, wie weh ihr seine Worte taten. Dabei mußte sie die Antwort so wie er gekannt haben, noch bevor sie hierher kam.
    Aus einem plötzlichen Gefühl von Mitleid heraus trat Skar auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Schulter, aber etwas Seltsames geschah. Skar hatte sie kaum berührt, als ihn Erinnerungen und Gefühle von selten gekannter Stärke überfluteten:
    Er spürte eine sonderbare, gleichzeitig unangenehme wie wohltuende Wärme, das viel, viel zu lange vermißte Empfinden, einem Menschen gegenüberzustehen, der nicht sein Feind war und der nichts weiter wollte als er selbst, nämlich ein wenig Verständnis und Freundschaft, aber zugleich glaubte er sich auch zurückversetzt in eine andere Zeit, aber denselben Ort. Es war mehr als nur ein Gefühl, viel mehr als bloße Erinnerung, sondern ein Empfinden von der Kraft und Eindringlichkeit einer Vision: Er hatte schon einmal in dieser Burg gestanden und ein Mädchen in den Armen gehalten, das dasselbe gewollt hatte wie Kiina. Es war ein anderes Zimmer gewesen, eine andere Zeit, und es geschah unter anderen Voraussetzungen, aber wenige Sekunden, nachdem er sie berührt hatte, war sie in seinen Armen gestorben, und er hatte sich nie so klar an das fassungslose Entsetzen jenes Augenblickes erinnert wie jetzt. Obwohl er mit aller Macht dagegen anzukämpfen versuchte, stieß er Kiina so grob von sich, daß sie das Gleichgewicht verlor und sich am Tisch festhalten mußte, um nicht zu stürzen. Skar griff blitzschnell zu und fing sie auf, zog die Hand aber sofort wieder zurück.
    Kiina starrte ihn fassungslos an. »Was —?«
    »Verzeih«, sagte er hastig. »Das... das wollte ich nicht.«
    »Warum hast du es dann getan?« fragte Kiina verstört.
    Es war eine Frage, wie sie wohl

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