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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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aus den Augen. »Irgendwann hätte er versucht, mich umzubringen; wenn nicht jetzt, dann später und mit noch größerem Zorn. Es war besser, ihm sofort Anlass zu geben, seine Wut herauszulassen.« Er fuhr sich mit dem Finger vorsichtig über die Lippe. »Jetzt ist es geschafft. Er hat seine Wut unter Kontrolle gebracht und den Moment verpasst, mich zu töten.«
    Ich erinnerte mich an die grausame Brutalität, die beim Dorfgasthaus in Kygos Augen gestanden hatte, und war mir beileibe nicht sicher, dass der Moment dahin war. »Ein sehr gefährliches Spiel«, sagte ich.
    »Nein. Die Würfel waren zu meinen Gunsten gezinkt.«
    »Wie das?«
    »Durch Euch.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ihr wusstet, dass ich den Kaiser aufhalten würde?«
    Er neigte den Kopf zur Seite und musterte mich. »Ja.«
    War ich so durchschaubar für ihn? Dieser Gedanke machte mir kurz Angst.
    »Es ist offensichtlich, dass er Euch will«, fügte Ido hinzu. »Eure Macht – und Euren Körper.«
    Bei seinen unverblümten Worten errötete ich. So klang Kygos Begehren wie der Vorstoß, den er selbst im Harem auf meinen Körper und auf meine Macht unternommen hatte: brutal und selbstsüchtig. Ich erinnerte mich an das erstickende Gewicht, mit dem er mich gegen die Mauer gedrückt hatte, und an seine Gier nach der Macht des Spiegeldrachen.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte er leise: »Auch Ihr habt einen guten Grund, mich zu töten.«
    »Ich habe viele gute Gründe«, sagte ich knapp. »Aber ich habe auch einen guten Grund, Euch am Leben zu lassen.«
    »Ich weiß. Ihr wollt Eure Welt der Macht. Darum wusste ich, dass Ihr ihn aufhalten würdet.«
    Ich wich zurück, doch er schüttelte den Kopf. »Ihr braucht Euch mir gegenüber nicht zu verstellen, Eona. Wenn ich eines verstehe, dann die Sehnsucht nach Macht.«
    »Ich sehne mich nicht nach der Macht«, erwiderte ich schnell.
    Er betrachtete das Seil um seine Handgelenke. »Sehnsucht. Wollen. Begehren.« Achselzuckend fuhr er fort: »Wir wissen beide, wie es ist, unermessliche Macht zu haben. Und wir wissen auch, wie es ist, wirklich machtlos zu sein.« Er hob die Hände. »Ich rede nicht davon, solchen unbedeutenden Beschränkungen unterworfen zu sein. Ihr wisst, was ich meine: wirkliche und vollkommene Machtlosigkeit. Sei es die Art, die wir einander auferlegt haben, oder die Art, derer sich Sethon« – seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten – »so meisterhaft bedient. Ich werde alles tun, damit ich mich nie mehr so machtlos fühle. Und darin sind wir uns gleich.«
    »Wir sind uns nicht gleich«, entgegnete ich mit Nachdruck. »Und Ihr seid jetzt machtlos. Ich kann Euch jederzeit zu etwas zwingen. Ich kann Euch einfach so zerquetschen«, sagte ich und ballte die Faust.
    Er schüttelte den Kopf. »Auch Ihr habt den Moment verpasst, mich zu töten, Eona.«
    Ich wollte es schon abstreiten, doch sein wissender Blick hieß mich schweigen. Er hatte recht. Ich hatte zweimal die Gelegenheit gehabt, meinen Meister und die anderen Drachenaugen zu rächen – in der Nacht des Staatsstreichs und letzte Nacht. Und beide Male hatte ich versagt.
    Er wies auf das Essen in meiner Hand. »Natürlich könntet Ihr mir eine tödliche Enttäuschung bereiten, wenn Ihr mir das getrocknete Fleisch da nicht gebt.«
    Mit einem widerstrebenden Lächeln gab ich ihm den Streifen Rind und er stopfte ihn sich in den Mund. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Yuso auf uns zuschritt. Er bebte beinahe vor Wut.
    Ido schluckte das Fleisch herunter und nahm den sich nähernden Hauptmann mit einem raschen Seitenblick ebenfalls wahr. »Sagt mal«, begann er fast beiläufig, »Was passiert eigentlich, wenn Ihr schlaft? Wie wollt Ihr mich dann in Schach halten?«
    Ich begegnete seinem genau prüfenden Blick mit der ganzen Schroffheit, die ich aufbringen konnte. »Wir sind ständig verbunden. Wenn Ihr Euren Drachen ruft, spüre ich das sofort.« Das stimmte immerhin zur Hälfte: Wir waren durch den einen Faden seines Hua so miteinander verbunden wie ich mit Ryko. Doch ich spürte diese Verbindung nicht immer und jedenfalls nicht, während ich schlief.
    »Ständig verbunden?«, echote er. »Vielleicht spürt Ihr dann meine Berührung in Euren Träumen.«
    »Das könnten nur Albträume sein«, erwiderte ich scharf.
    Er lachte und seine Bernsteinaugen blickten so anzüglich wie noch nie. Ich wandte mich dem aufgebracht herantretenden Yuso zu.
    »Lady Eona!« Die Stimme des Hauptmanns war von eisiger Höflichkeit. »Was Lord

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