EONA - Das letzte Drachenauge
es jetzt her, dass ich das Vergnügen eines solchen fast zärtlichen Hautkontakts gehabt hatte, diese sanfte Verbindung von entspannter Körperlichkeit und Kameraderie, wie sie sich beim Bad mit anderen Mädchen und Frauen ergeben kann. Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr ich diese Nähe vermisst hatte.
Schließlich waren wir so sauber, dass wir ins Badebecken steigen konnten. Ich ging als Erste die drei Stufen hinunter und das Wasser stieg vom Fußgelenk zum Knie und dann zur Hüfte in herrlich prickelnder Hitze hoch. Vorsichtig ließ ich mich mit dem Oberkörper in das heiße Wasser gleiten und tastete nach dem steinernen Sitzsockel am Beckenrand. Auch Vida kam ins Wasser gewatet und ließ sich seufzend mir gegenüber nieder.
»Vielen Dank für das hier, Mylady«, sagte sie.
»Du bist sicher ziemlich aufgeregt, dass du deinen Vater wiedersiehst.«
Sie nickte und tauchte die kräftigen Schultern tiefer ein. »Und Ihr seid sicher ganz aufgeregt, dass Ihr demnächst wieder mit Eurer Mutter vereint seid.«
Ich zuckte die Achseln. »Seit ich sieben war, habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich werde für sie genauso fremd sein wie sie für mich.« Ich hielt inne, sprach meine Gedanken dann aber doch aus. »Vielleicht haben wir gar keine Gefühle füreinander.«
Oder vielleicht hatte sie schon vor vielen Jahren nicht genug Gefühle für mich, um mich zu behalten.
Vida schüttelte den Kopf. »Ihr seid verwandt. Da gibt es immer eine Bindung.«
»Mag sein«, gab ich zurück. »Ich kann mich nicht daran erinnern, wie es ist, eine Familie zu haben.«
Vida neigte den Kopf zur Seite. »Aber es gab doch Menschen, denen Ihr etwas bedeutet habt? So wie jetzt Lady Dela zum Beispiel, und Ryko.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Ryko noch zu diesen Menschen gehören will«, erwiderte ich trocken.
Dela hingegen machte sich zweifellos etwas aus mir. Als ich klein war, war da Dolana in der Saline gewesen, aber sie war an der Hustenkrankheit gestorben. Und später waren da natürlich Rilla und Chart. Selbst meinem Meister hatte ich etwas bedeutet auf seine ihm eigene, sehr kühle Art. Um ehrlich zu sein, hätte ich mir gewünscht, Tozays Männer hätten Rilla und Chart aufgespürt und nicht die Fremde, die nun hierher unterwegs war. Ich vermisste Rillas gesunden Menschenverstand und ihre scharfzüngige Herzlichkeit und Charts anzüglichen Humor und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, die Götter mögen die beiden beschützen. Und sie zu mir führen.
Vida hob ein Bein und betrachtete ihre bleichen Zehen, die aus dem Wasser sahen. »Und offensichtlich bedeutet Ihr auch Seiner Majestät etwas.«
Ich tat so, als blickte ich ins Wasser, um ihrem belustigten Blick auszuweichen.
»Und Lord Ido«, fügte sie hinzu.
Jetzt blickte ich auf. »Dem bedeute ich nichts.«
»Er beobachtet Euch die ganze Zeit«, erwiderte sie. »Er ist ein gut aussehender Mann, findet Ihr nicht?«
»Nicht so gut aussehend wie Seine Majestät«, erwiderte ich entschieden, doch ich lächelte dabei, um Vidas plötzliche Freundlichkeit nicht zu vertreiben. Das war der fast zärtliche Hautkontakt, an den ich mich erinnerte: Gespräche und Gelächter unter Frauen und sanfte Spötteleien über das Leben und die Liebe.
»Vielleicht. Sie sehen auf unterschiedliche Weise gut aus. Seine Majestät ist …« – sie hielt inne, suchte offensichtlich nach dem richtigen Wort und zuckte dann leicht die Achseln – »… schön auf eine Weise, die den Geist berührt.«
»Und Lord Ido?«, wollte ich wissen.
»Lord Ido ist sehr männlich«, sagte sie langsam und nachdrücklich.
Ich nickte und erwiderte ihr Grinsen. Das war eine gute Beschreibung.
Sie warf mir einen scharfen Blick zu. »Fühlt Ihr Euch zu ihm hingezogen?«
»Natürlich nicht.« Ich schüttelte den Kopf, doch ich spürte, dass ich rot wurde.
»Ich weiß, warum es doch so ist: Ihr habt vieles miteinander gemein.«
»Das haben wir nicht!«, erwiderte ich rasch. »Er ist ein Verräter und ein Mörder.«
Sie wandte den Blick ab. Obwohl ich im heißen Wasser saß, fröstelte es mich: In Vidas Augen war auch ich eine Mörderin.
Unser ganzes Wohlbehagen war dahin. Was war ich doch für ein Dummkopf!
Sie legte ihre Hände wie zu einer Schale ineinander, spritzte sich Wasser ins Gesicht und durchbrach das Schweigen.
»Ihr beide seid die letzten Drachenaugen«, sagte sie und strich ihr nasses Haar zurück. »Das muss eine starke Bindung sein. Und er hat mehr als nur Drachenmacht.«
Ich blickte düster vor
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