Epsilon
sich für die Schule fertig machte.
»Komm mit, Opa, du musst dir Polly ansehen – das ist mein Pferd. Naja, eigentlich ist es ein Pony, aber es sieht fast wie ein Pferd aus.«
Damit zog er seinen Großvater an der Hand hinter sich her. »Du auch, Mama – ich will dir mein Pferd zeigen!«
»Gehen Sie mit, Dr. Flemyng. Am besten lassen Sie sich von Christopher herumführen, danach können wir uns bei einer Tasse Kaffee im Haus unterhalten.«
Susan musterte die Frau, die sich Mrs. Hathaway nannte, und fragte sich, ob das ihr richtiger Name war. Was war das für eine Frau, die sich für solche Aufgaben hergab? Konnte Susan an ihr Mitgefühl appellieren? An ihre mütterlichen, weiblichen Instinkte? Oder war diese Frau so eiskalt wie die Leute, für die sie arbeitete? Wie auch immer: Wie hätte dieser Appell aussehen sollen? Offensichtlich wurde für Christopher gut gesorgt, und er wurde in keiner Weise misshandelt. Konnte sie unter den gegebenen Umständen eigentlich mehr verlangen? Außer dass sich eben diese Umstände änderten? Und was das betraf, war auch diese Frau machtlos.
»Gehen Sie, Dr. Flemyng. Die beiden warten schon auf Sie.« Susan erkannte, dass ihr die Frau soeben jeden Gedanken, der ihr durch den Kopf gegangen war, von den Augen abgelesen hatte. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Plötzlich fühlte sie sich wie eine Närrin, dumm und vor dieser Frau bloßgestellt.
»Christopher hat sich so auf diesen Besuch gefreut. Er hat genau geplant, was er Ihnen alles zeigen will. Gehen Sie schon.«
Susan verspürte einen leichten Druck auf ihrem Arm. Es war kein Drängen, kein Zwang. Auch keine Warnung oder ein Drohen. Es vermittelte vielmehr ein beruhigendes Gefühl, ein Versprechen, dass mit der Zeit alles wieder in Ordnung kommen würde und dass sie den Augenblick einfach genießen sollte.
Susan nickte zustimmend. Es war eine seltsam abrupte Geste, aber mit ihr schüttelte sie die Lähmung ab, die sie befallen hatte. Susan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber die Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Sie murmelte etwas Undeutliches, drehte sich dann schnell um und schritt auf ihren Sohn und ihren Vater zu, die in einiger Entfernung Hand in Hand auf sie warteten.
Christopher stellte sich in der Tat recht geschickt beim Reiten an. Susan sprach mit dem Mann, der ihm das Reiten beibrachte. Sein Name war Michael, er war etwa dreißig, gut aussehend und freundlich, mit tadellosen, beinahe altmodischen Manieren. Sie konnte auf den ersten Blick sehen, dass Michael und Christopher einander mochten.
Aber wer waren diese Leute eigentlich? Was taten sie da mit ihrem Sohn? Sie wollte Michael am Kragen packen und durchschütteln, ihn fragen, wie er ihr und Christopher so etwas antun konnte. Und mit welchem Recht? Doch das hätte die Sache für Christopher wohl nur verschlimmert, und das war das Letzte, was sie wollte.
»Nun, wenn du mich fragst, so darfst du dich wirklich einen glücklichen jungen Mann nennen«, sagte sie schließlich, als Christopher seine Besichtigungsrunde damit beendete, ihnen sein Zimmer zu zeigen. Es war voll gestopft mit allen möglichen Spielsachen, die sich ein Junge in seinem Alter nur wünschen konnte.
»Hätte selbst nichts dagegen, an so einem Ort meine Ferien zu verbringen«, fügte Amery hinzu.
»Warum bleibst du nicht hier, Opa?«, hakte Christopher sogleich nach, und auf seinem Gesicht spiegelte sich die Gewissheit wider, dass eine so gute Idee unmöglich abgelehnt werden konnte.
Amery war anzusehen, dass er sich überrumpelt fühlte. »Nun, ich… Das würde ich gerne, Christopher… aber ich weiß nicht, ob ich so lange von zu Hause wegbleiben… oder ob hier überhaupt Platz für mich ist…«
»Oh, wir haben ‘ne Menge Zimmer hier.«
»Nun, ich werd’s versuchen. Ich kann nichts versprechen, aber ich werd’s versuchen.«
»Sie können so lange bei uns bleiben, wie Sie es wünschen, Mr. Hyde.«
Susan und ihr Vater wirbelten erschrocken herum. In der Tür hinter ihnen stand Mrs. Hathaway.
»Ich meine es ernst. Wir haben nichts dagegen. Wir wären sogar entzückt.«
Amery sah seine Tochter an, dann blickte er zu der älteren Frau zurück. Diesmal musterte er sie weitaus schärfer.
»Wollen Sie etwa sagen, dass Ihre… Geschäftspartner damit einverstanden wären?«
»Sie wären hocherfreut.«
Amery sah erneut seine Tochter an. Susan sagte nur: »Wenn du kannst, dann tu es.«
Christopher beobachtete das alles genau, ohne dass ihm
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