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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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sagen.
    »Er klettert in den Wipfel einer Ulme und guckt nach Norden«, sagte Lucy und ließ ihre Hand fallen. »Er sagt, eines Tages will er mal dorthin.«
    »Ja, davon hat er gesprochen«, seufzte Del. »Vielleicht braucht er ja bloß Zeit zum Nachdenken. Aber er hat auch von dem Streit mit dir erzählt, wegen Leo und den Kindern, und da bin ich sauer auf dich geworden, weil du ihn angestachelt hast. Darum habe ich nicht mehr richtig darauf geachtet, was er gesagt hat.« Sie sah auf und blickte Lucy an. Ihre Augen loderten jetzt zwar nicht mehr vor Wut, aber etwas Hartes hatten sie immer noch.
    »Aidan kann schon auf sich aufpassen«, meinte Henry. »Er ist allein unterwegs, seitdem er dreizehn ist.«
    Del atmete tief ein und sah wieder zu Lucy. »Warum musstest du hierherkommen?«, fragte sie. Sie klang merkwürdig. Weniger wütend, eher müde. Sie rieb ihr Gesicht mit den Händen und hinterließ dabei feuchte, schmutzige Streifen. Ihr Mund zuckte. »Wir werden niemals Freundinnen sein, Lucy Holloway«, sagte sie leise.
    »Aber-aber, Lady Del«, sagte Henry sanft. Er legte einen Arm um ihre Schulter. Für einen Moment lehnte Del sich an ihn, dann machte sie sich mit einem neuen Kopfschütteln wieder los und stapfte davon. Lucy sah ihr nach. Sie wurde einfach nicht schlau aus diesem Mädchen. In einem Augenblick fauchte Del wie eine wütende Katze, im nächsten war sie gefühllos wie ein Roboter.
    »Das war vielleicht ein Auftritt!«, meinte Henry. »Warum hat sie deinen Namen denn immer so komisch ausgesprochen? Das klang ja, als wollte sie dich mit einem Fluch belegen oder so.« Er lachte nervös und wackelte mit seinen Fingern vor ihrem Gesicht. »Voodoo-Zauber.«
    Lucy schüttelte den Kopf. Warum hasste Del sie nur so?
    »Vielleicht hat sie zu viel Sonne abbekommen«, meinte Henry. Er rieb sich mit seiner behandschuhten Hand über das Kinn. »Aber ich muss schon sagen: Diese Leidenschaft, die sie in sich aufstaut, ist schon irre. Und irgendwo muss sie sie ja lassen, oder?«
    »Sonst noch was, Henry?«, sagte Lucy und verkniff sich ein Lachen.
    Jemand tippte ihr auf die Schulter und Lucy drehte sich um. Hinter ihr stand Sammy. Er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und trug eine neue Maske. Sie war leuchtend rot, hatte einen breiten, grinsenden Mund und kleine rote Hörner. Seine rot verfärbten Augen funkelten. »Aidan hat dich in deinem Camp oft beobachtet und über dich nachgedacht. Er hat gesagt, du wärst der tapferste Mensch, dem er je begegnet sei.«
    Lucy sah Sammy überrascht an. »Ich? Warum das denn?«
    »Weil du ganz allein überlebt hast«, antwortete Sammy. »Weil du einfach immer das getan hast, was getan werden musste.«
    »Die Hälfte der Zeit wusste ich überhaupt nicht, was ich tun sollte.«
    »Mag sein. Aber du hast trotzdem nicht aufgegeben.«
    Zum ersten Mal sah Lucy Sammy richtig an. Er war ein wenig kleiner als Aidan, einen Hauch unter ein Meter achtzig etwa. Er hatte breite Schultern und große Hände, die in Handschuhen steckten. Er kam Lucy ein bisschen tollpatschig vor, etwa so, als hätte er erst kürzlich einen Wachstumsschub gehabt. Unter seiner Kapuze war eine Strähne dunkelblondes Haar zu sehen – dieselbe Farbe, die Aidan auch hatte – und dazu der schreckliche Kontrast seiner unterlaufenen Haut. Aber sie war gar nicht vernarbt und nässend, wie Lucy bisher gedacht hatte, sondern glatt und trocken. Nur dass sich unter ihr große rote und schwarze Placken erstreckten, die wahrscheinlich über seinen gesamten Körper verliefen und wie überdimensionale blaue Flecken aussahen. Lucy glaubte, in der Mitte seines blutunterlaufenen Augapfels etwas Haselnussfarbenes zu sehen. Sammys Ohrläppchen waren sehr rosig, wie Haut, die sich nach einem schlimmen Sonnenbrand neu gebildet hat. Lucy dachte daran, was Henry gesagt hatte, und fragte sich, ob er mit seinen Mutmaßungen hinsichtlich der Selbstheilungskräfte des Körpers vielleicht recht hatte.
    Sammy erwiderte Lucys Blick. »Du bist wirklich tapfer«,sagte er mit dem Anflug eines Lächelns. Lucy sah kurz strahlend weiße Zähne aufblitzen. »Du müsstest dich nur in diesem Moment mal sehen! Du hast gar keine Angst, dass ich deinen Kopf wie eine Walnuss knacke und dein Hirn auffresse.«
    Lucy wurde rot. »Ich war wirklich dumm, ich habe einfach nur ...«
    »... dem Gerede geglaubt und den Nachrichten.« Sammy nickte. »Und du bist nicht die Einzige.« Er zuckte die Schultern. »Die Leute wussten einfach nicht, was sie mit uns

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