ePub: Der letzte Zauberlehrling
die Augen und setzte mich auf. Jetzt fiel mir alles wieder ein. Wir hatten eine Bruchlandung mit unserem Ballon hingelegt. Hinter Agnetha erkannte ich Prometheus, der benommen gegen eine Hauswand gelehnt saß, während Samira neben ihm stand. Die Reste unseres Ballons lagen in einer Ecke des Hofes. Vorsichtig richtete ich mich weiter auf. Bis auf ein leichtes Schädelbrummen und ein paar blaue Flecken schien ich die Landung heil überstanden zu haben.
»Wir sollten zusehen, dass wir hier schleunigst verschwinden«, sagte Moriarty. »Es dämmert bereits. Wir haben Glück gehabt, dass uns bis jetzt niemand entdeckt hat, aber das kann sich schnell ändern.«
»Wissen Sie denn, wo wir sind?«, fragte ich.
Moriarty griff in die Tasche und zog eine weitere Kugel aus seinem unerschöpflichen Arsenal hervor. »Das nicht. Aber ich weiß, wo wir hinmüssen.« Er streckte mir die Kugel hin. Sie sah aus wie eine dicke Glasmurmel, durchsichtig und mit einigen bunten Streifen innen drin.
»Das ist ein Pathfinder , alter Knabe«, erklärte er. »Er wird uns den Weg zum Haus meines Freundes weisen.« Er hielt die Kugel vor sich hin. »Siehst du? Die rote Linie zeigt genau auf die Einfahrt. Das ist unser Weg.«
»Aber das ist doch ...«, begann ich, als ich sein Grinsen bemerkte. »Schon gut«, winkte ich ab. »Verstanden.«
Wir folgten Moriarty auf die Straße, die um diese Zeit noch völlig menschenleer war. Er warf einen Blick auf die Kugel und dirigierte uns nach links. Im Gänsemarsch trabten wir hinter ihm her.
»Das ist nur eine weitere unserer vielen nutzlosen Inselzaubereien«, bemerkte er, als wir um die nächste Ecke bogen. Dabei sprach er so laut, dass es Prometheus, der ein paar Schritte hinter uns ging, hören musste.
Ich drehte mich um. »Kinderkram«, grunzte der Alte, aber es klang nicht besonders überzeugend. Moriarty tat so, als habe er die Bemerkung nicht gehört. Er führte uns durch ein paar weitere Nebenstraßen und blieb schließlich vor einem kleinen Antiquitätengeschäft stehen, dessen Fenster und Türen vergittert waren.
»Da sind wir«, sagte er. Er steckte die Kugel in die Tasche und wartete.
»Sollten wir nicht klopfen?«, fragte ich, als sich hinter der Glasscheibe etwas regte. Wenig später bewegte sich das Gitter knarzend nach oben.
»Nicht nötig, wie du siehst, alter Knabe«, erwiderte Moriarty. »Das erledigt mein kleiner Pathfinder ebenfalls von selbst.«
Die Tür öffnete sich. Vor uns stand ein schwarzhaariger Mann in mittleren Jahren in einem eleganten, knöchellangen Morgenmantel und mit einem Gesicht voller Lachfalten.
»Morty!«, rief er. »Alter Junge! Ich dachte schon, du lässt dich nicht mehr blicken!«
»Ich freu mich auch, dich zu sehen, Neppi«, grinste unserBegleiter und hielt dem Fremden die Hand hin. Es folgte ein kompliziertes Ritual des Handaufeinanderschlagens, -wegziehens, -gegeneinanderstoßens und der Fingerberührung, das so schnell ablief, dass mir die Augen schwirrten.
»Los, kommt rein«, forderte uns Neppi nach dem Ende der Begrüßung auf.
»Morty! Neppi! Pah!«, brummelte Prometheus, als wir unserem Gastgeber durch einen vollgestopften Verkaufsraum in einen Flur folgten, in dem wir eine schmale Treppe hinaufstiegen. Sie mündete in einen Raum, der die ganze Fläche des Gebäudes einnahm. In seiner Mitte stand ein langer Holztisch, der bestimmt Platz für sechzehn Personen bot. Bis auf ein paar Regale und Schränke an den Wänden war das Zimmer leer. Durch die großen Fenster an der Rückseite fielen jetzt die ersten Sonnenstrahlen in den Raum und tasteten sich langsam über den gewachsten Holzfußboden zu uns vor.
»Nehmt Platz!«, forderte uns Neppi auf. Während wir uns setzten, verschwand er mit Moriarty durch eine Nebentür. Wenig später kehrten die beiden zurück, jeder mit einem Tablett voller Croissants und dampfender Kaffeetassen in den Händen.
»Ich wusste ja schon etwas länger, dass ihr kommt«, erklärte Neppi, als er unsere erstaunten Blicke sah. »Morty hat mir eine Nachricht zukommen lassen. Deshalb habe ich Vorkehrungen getroffen, denn ich dachte mir, ein ordentliches Frühstück würde euch guttun.«
Erst als er das sagte, bemerkte ich, wie sehr mein Magen knurrte. Meinen Begleitern schien es nicht anders zu gehen. Jedenfalls fielen sie, so wie ich, über das noch ofenwarme Gebäck her. Neppi musste zweimal losziehen, um Nachschub zu holen.
»Jetzt sollte ich vielleicht erst einmal alle vorstellen«, begann Moriarty, als wir
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