ePub: Drachenhaut (German Edition)
gesprochen. Sie seufzte und nahm seine Hand. »Wo ist Amayyas?«, sagte sie langsam und deutlich. »Bring mich zu ihm.«
Er kam langsam und schwerfällig auf die Füße und stand mit gebeugten Schultern vor ihr. »Du wirst ihn für mich töten«, sagte er mit einer Ruhe, die Lilya schaudern ließ. »Lass ihn nicht weiter leiden. Und lass nicht zu, dass Farrokh es ist, der ihm den Gnadenstoß gibt.«
»Bring mich zu ihm«, wiederholte sie so sanft, als spräche sie zu einem verwirrten Kind.
Yani und Udad folgten ihnen, während Aspantaman Lilya tiefer in das Labyrinth der Kellergänge und -gewölbe führte. Nach einer Handvoll von Abzweigungen, weiteren Treppen, gemauerten Durchgängen, die wiederum in andere Gewölbe und Gänge führten, und neuerlichen Treppen, hinauf und hinunter, aber vor allem hinunter, hatte sie so die Orientierung verloren, dass sie um ihre Rückkehr gebangt hätte, wenn sie nicht um die Unfehlbarkeit des Findezaubers gewusst hätte.
Aspantaman ging schweigend an ihrer Seite. Seine Haltungwar gebeugt wie die eines alten Mannes, aber seine Schritte gewannen mit jeder Minute größere Festigkeit.
Sie durchquerten einen Gang mit vielen Türen, die mit festen Riegeln und schweren Schlössern versehen waren. Aspantaman wandte den Kopf und sagte: »Du musst mich für einen feigen Schwächling halten, Lilya.«
Sie sah ihn überrascht an. Sein Blick war wenn auch müde, so doch klar. »Nein«, sagte sie. »Nein, Aspantaman, das tue ich nicht, ganz im Gegenteil.«
Er nickte und wandte den Blick ab. »Es macht mich wahnsinnig, ihm nicht helfen zu können«, sagte er leise. »Vergib mir, ich muss dich zu Tode erschreckt haben. Ich war nicht bei mir.«
Lilya sah das Blut, das auf seinem Rücken zu trocknen begann, und schluckte. »Ohne dich wäre Amayyas längst tot.«
»Ja«, flüsterte der Eunuch. »Aber nun kann ich nicht mehr viel für ihn tun ...« Er sprach nicht aus, was er dachte, aber Lilya erinnerte sich an ihren Traum und schauderte.
Aspantaman hielt vor einer der verschlossenen Türen an. Im Gegensatz zu den anderen waren ihre Riegel nicht verrostet und verstaubt, sondern glänzten mattschwarz vom frischen Öl. Aspantaman entriegelte die Tür und öffnete sie. Als Lilya eintreten wollte, hielt er sie zurück. »Er wird dich nicht erkennen«, warnte er. »Seit einiger Zeit erkennt er noch nicht einmal mehr mich.« Er zuckte resigniert die Achseln. »Ich denke nicht, dass du ihm helfen kannst.« Aber der Blick seiner Augen, voller Hoffnung, sagte etwas anderes.
Ein kleiner Raum lag hinter der Tür, mehr eine Zelle als ein Zimmer. Es stank scharf nach den Ausdünstungen und Exkrementen eines Raubtiers. Lilya begriff jetzt erst, warum diese Türen alle so gut gesichert waren. »Das ist der Kerker?«
Aspantaman nickte. »Der alte Kerker des Serails. Er wurde aufgegeben, als der Shâya ein Stück außerhalb der Stadt das große Gefängnis bauen ließ. Hier lagern nur noch Vorräte.«
»Und ehemalige Kronprinzen«, murmelte Lilya, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Dort waren die Käfigstäbe, von denen sie geträumt hatte. Sie trennten zwar den größten Teil der Zelle vom Eingangsbereich ab, aber es war immer noch ein winziges Gelass für den großen Panther, der an der gegenüberliegenden Wand kauerte. Er bewegte sich nicht, als sie an das Gitter trat und sich hinkniete. Sein Blick war zu ihr gewandt, aber er schien nichts wahrzunehmen.
Lilya hörte, wie Udad leise fauchte. Er drängte sich an ihre Seite und drückte den Kopf gegen die Stäbe. Seine Augen waren zornig, er hatte die Ohren flach angelegt und die Zähne gebleckt.
Lilya betrachtete den schwarzen Panther voller Sorge. Er war abgemagert bis auf die Knochen, unter dem glanzlosen, räudig aussehenden Fell konnte sie seine Rippen erkennen. Am Rücken und an den Seiten hatte er offene, eiternde Wunden. Seine Flanken bewegten sich mit seinem flachen, hastigen Atem.
Lilya seufzte und sah Aspantaman an, in dessen Augen Tränen standen. Er klammerte die Hände um die Gitterstäbe. »Wie öffnet man den Käfig?«, fragte sie.
Der Eunuch wandte langsam den Kopf. »Ich habe einen Schlüssel«, erwiderte er. »Jemand schuldete mir noch einen Gefallen.« Er zog den Schlüssel hervor und steckte ihn ins Schloss, drehte ihn um. »Du kannst dort nicht hineingehen«, warnte er. »Er ist immer noch kräftiger, als er aussieht.«
Lilya nickte ungeduldig. »Keine Sorge.« Sie hielt ihn auf, als er die Käfigtür aufziehen
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