ePub: Drachenhaut (German Edition)
sie, wie jemand sie auffing, als sie zusammensackte, und auf ein weiches Lager bettete. Dann kam der Schlaf, der schwarz war und still wie der Tod und keine Träume brachte.
Als sie erwachte, hörte sie leise Stimmen miteinander reden. Anspannung sprach aus dem Tonfall, drängende Eile, Sorge. Lilya kämpfte sich aus den Armen des Schlafes, die sie wieder hinunterziehen wollten, lockten, schmeichelten, und zwang sich, den Stimmen zu lauschen.
»Wir können es nicht riskieren, auch nur einen Tag länger zu bleiben«, hörte sie. »Ich hätte wissen müssen, dass sein Verschwinden sofort bemerkt wird. Sie durchsuchen im Moment noch die Verliese des Serails, aber dies hier ist der Ort, an dem sie als Nächstes nachsehen werden. Farrokh ist rasend vor Wut. Ich konnte mich seinen Häschern nur knapp entziehen. Natürlich verdächtigt er mich ...«
»Ich habe alles gehört, Aspantaman«, sagte Lilya und setzte sich mit einem kieferverrenkenden Gähnen auf. »Es ist meine Schuld, ich hätte das bedenken müssen.« Sie griff nach ihrem Djilbab und zog ihn über. »Wie geht es dem Prinzen?«
»Gut«, sagte eine schwache Stimme. »Danke.«
Aspantaman lachte breit und rückte beiseite, damit Lilya den Panther sehen konnte, der neben Udad in seiner Leopardengestalt auf dem Boden lag. Udad wandte den Kopf und grinste Lilya an.
»Du bist wach«, sagte Lilya verblüfft.
»Du auch«, erwiderte Amayyas. Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. »Du hast so lange geschlafen, dass wir schon fürchteten, wir müssten dich in einer Hängematte transportieren.« Er neigte den Kopf. »Du hast mich gerettet«, sagte er. »Und noch mehr ‒ es ist kurz vor dem Vollmond, aber ich bin vollkommen bei mir. Du hast etwas mit meinem Geist gemacht.«
Lilya hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung«, entgegnete sie und warme Erleichterung durchströmte sie. Wenn Amayyas auf den Beinen war, wenn er bei klarem Verstand war, dann konnte ihre Flucht sogar gelingen. Aber sie erlaubte es sich nicht, sich dem Gefühl der Erleichterung hinzugeben. »Wie ist die Lage?«, fragte sie.
»Der Kronprinz ‒ Farrokh lässt das Serail durchsuchen«, antwortete Aspantaman. Er warf Amayyas, der bei seinen ersten Worten zusammengezuckt war, einen mitleidigen Blick zu. »Wir sollten von hier verschwinden.«
Lilya nickte und rieb sich den letzten Schlaf aus dem Gesicht. »Ich kann zwei von uns tarnen«, sagte sie. »Mehr wage ich nicht. Es hat mich viel Kraft gekostet, Amayyas zu helfen.«
»Zwei ‒ das müsste reichen«, sagte Yani, der schweigend am Fenster gesessen und hinausgeschaut hatte. Seine Haltung sprach von Wachsamkeit und Unruhe. »Ich gehe mit Aspantaman und Udad vor. Du verbirgst dich und den Prinzen und folgst uns. Wenn wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen, umso besser, dann lenkt das von euch beiden ab.«
Lilya erwog seine Worte und schüttelte dann den Kopf. »Ich gehe mit Udad und Amayyas«, sagte sie. »Udad ist zu auffällig ‒ auch als Mensch. Wenn einer der Magiya des Königs euch über den Weg liefe, würde er einen Rakshasa sofort erkennen.«
»Und wie willst du ohne Schutz durch das Serail kommen?«
Lilya lächelte. »Lass das mein Problem sein. Ich weiß mir zu helfen.« Sie war nicht halb so zuversichtlich, wie sie sich gab, aber dies war die einzige Möglichkeit, die sie sah. Sie mussten den Prinzen hinausschmuggeln, ohne dass Farrokh und die Wachen ihn bemerkten.
Sie beredete noch kurz mit Aspantaman den Weg, den sie mitden beiden Leoparden nehmen würde ‒ es war nicht der kürzeste, aber bis zum Haupttor der am wenigsten auffällige Weg aus dem Serail. Dann nahm sie Yani beiseite und flüsterte: »Pass auf ihn auf. Er ist weniger bei Kräften, als es den Anschein hat. Und Farrokh wird auch nach ihm suchen.«
Yani nickte schweigend und drückte ihre Hand. »Viel Glück«, sagte er leise. »Wir treffen uns in der Altstadt oder spätestens im Dorf wieder.«
Die Tür schloss sich hinter Yani und dem Eunuchen. Lilya seufzte und sah die beiden Leoparden an. »Ich hoffe, meine Kraft reicht«, murmelte sie.
Sie spürte seine Gegenwart, ehe sie seine Stimme hörte. »Deine Kraft würde ausreichen, um das Serail in Trümmer zu legen«, sagte Der Naga. »Warum nutzt du sie nicht?«
Sie musste nicht hinschauen, um zu wissen, dass Udad und Amayyas starr und leblos im Zauberbann lagen.
»Ich will es nicht«, sagte sie und wandte sich zum Schlangengott um. »Wenn ich der Verlockung nachgebe, werde ich nicht mehr ich selbst
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