ePub: Drachenhaut (German Edition)
»Geht es dir gut?«
Der Jüngling wandte sich immer noch nicht um. Seine Schultern in dem seidenen Kaftan erschienen eckig und angespannt.»Bist du gekommen, um Konversation zu machen?«, fragte er gereizt zurück. »Ich habe Kopfschmerzen, Aspantaman. Es ist der Tag des Dunkelmondes. Warum fragst du mich?«
Der große Eunuch seufzte unhörbar. Um diese Zeit war der Prinz immer besonders empfindlich und schlecht gelaunt ‒ aber wer konnte ihm das verübeln? Ganz sicher nicht sein Erzieher, der sich um ihn kümmerte, seit der Prinz ein kleiner Junge war.
»Huzvak und der Leibarzt sind gekommen, um dich zu untersuchen«, kam er ohne weitere Umschweife zum Punkt. »Soll ich sie einlassen?«
Jetzt drehte sich der Prinz doch zu ihm um. Seine Augen blitzten. »Ich will sie nicht sehen«, fauchte er. »Sie sollen zum Teufel gehen und in der untersten seiner neun Höllen braten bis zum Ende der Zeit. Sag ihnen das, Aspantaman!«
Der Erzieher verbeugte sich, ohne eine Miene zu verziehen. »Von Herzen gerne, Amayyas. Aber dein Vater hat die Untersuchung angeordnet. Ich fürchte ...«
Der junge Mann ließ einige sehr unprinzliche Worte hören. Aspantaman verbarg ein Lächeln hinter seiner Hand. »Ich darf sie also vorlassen, mein Prinz?«, sagte er sanft und nickte, als der nächste Fluch folgte. Er wandte sich zur Tür und öffnete sie. »Ihr dürft eintreten«, sagte er.
Als Erster trat der graubärtige Magush ein und stolzierte mit wichtiger Miene auf den Prinzen zu. Ihm folgte ein jüngerer Mann in schlichter dunkler Kleidung, der eine große Tasche mit sich schleppte. Amayyas betrachtete Männer wie Tasche mit Widerwillen und Abscheu. »Ich bin nicht in Stimmung, mich untersuchen zu lassen«, sagte er, als die beiden Männer sich vor ihm verbeugten. »Und was ist das für eine Begrüßung? Ich vermisse die rechte Ehrerbietung, Huzvak!« Er sah den Magush zornig an und wies auf den Boden.
Der hob das Kinn und warf sich in die Brust, aber sein Begleiter ließ die Tasche zu Boden poltern und warf sich platt auf den Bauch, um die Stirn auf den Boden zu pressen. Der Magush warf einen irritierten Blick auf den hingestreckten Leibarzt und ließ sich ungelenk auf die Knie nieder. »Mein Prinz«, ächzte er, »ich bin zu alt ... noch nicht einmal dein Vater verlangt das von mir ... ich bitte alleruntertänigst darum, mir diese Leibesübung zu ersparen.«
Der Prinz verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte nichts. Seine Miene war finster.
Aspantaman, der sich diskret in einen Winkel zurückgezogen hatte, ließ ein leises Prusten hören. Der Magush warf einen wütenden Blick über die Schulter, dann tat er es unter leisen Jammer- und Stöhnlauten seinem Begleiter gleich.
Der Prinz hob den Blick und sah den Obersteunuchen an. Er zuckte resigniert mit den Schultern. »Erhebt euch«, befahl er. »Was also wollt ihr untersuchen?«
Der Magush kam mit Hilfe des Leibarztes mühsam wieder auf die Füße. Er klopfte seinen Kaftan ab, als hätte Staub auf dem spiegelblanken Boden gelegen, und zog ein beleidigtes Gesicht. »Dein untertäniger Diener«, sagte er kurzatmig, »Tag und Nacht zu deinen Diensten, der niedrigste deiner Sklaven, Unwürdigster unter den Magiya des Hofes, auf nichts bedacht als auf dein Wohl und deine ...«
»Huzvak!«, rief der Prinz gereizt, »willst du, dass ich dich auspeitschen lasse? Nun verrichte, was du zu tun hast, und dann lass mich wieder allein!«
Der Magush winkte mit verkniffener Miene dem Leibarzt, der seine Tasche öffnete und allerlei Instrumente hervorholte: spitze, blitzende Hohlnadeln, ein geschliffenes Messerchen, aus Bein gefertigte Zangen und Schaber, ein Hämmerchen und hölzerne Spatel, Lederriemen, zierliche Phiolen, ein Glas mit Blutegeln, eine Kerze, ein Becken aus Porzellan und einige Schröpfköpfe. Amayyas blickte auf das schreckenerregende medizinische Sammelsurium hinab und seufzte. »Diesen Prozeduren unterwerft ihr mich jetzt schon seit Jahren«, sagte er. »Eine davon ist schmerzhafter und unangenehmer als die andere. Was hat das alles für einen Sinn? Ihr könnt mir ja doch nicht helfen!«
»Das würde ich nicht sagen, Hochedler«, murmelte der Leibarzt und zog eine Lupe über sein Auge. »Macht doch bitte einmal ›Aaah‹.« Er drückte die Zunge des Prinzen mit einem Holzspatel nieder und starrte in seinen Mund.
Währenddessen baute der Magush eine rätselhafte Vorrichtung aus Kupferspulen, Drähten, geschliffenen Kristalltropfen, mumifizierten Mäusen
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