Equilibrium
stieg traurige Einsamkeit hoch. Er setzte sich niedergeschlagen in den gepolsterten Ledersessel an seinem Schreibtisch. Das Büro war verwüstet worden. Was nicht wirklich eine Überraschung war, aber er fühlte sich deswegen am Boden zerstört. Er war müde, einsam und bekam plötzlich Angst.
Die schweren Schritte, die die Treppe hochkamen, machten es nicht besser. Während er eine schwere Vase von seinem Schreibtisch nahm und sich hinter die Tür stellte, wurde Kevin klar, sie konnten nicht von Raj Sen stammen. Sie mussten zu einer viel größeren Person gehören. Erinnerungen an Dan schossen Kevin durch den Kopf. Gegen ihn hatte er keine Chance, es sei denn, er schaffte es, ihn zu überraschen.
»Dr. Sanderson. Ich bin’s Dan. Kommen Sie bitte nach unten«, dröhnte die Stimme vor seinem Büro.
Kevin stellte die Vase resigniert ab und öffnete die Tür. Dan wartete auf halber Strecke der Treppe auf ihn. Er war ein riesiger Mann, Kevin seufzte. Er folgte ihm nach unten und in die Küche.
»Haben Sie Bier?«, fragte Dan und öffnete den Kühlschrank.
»Nein, aber es ist Wein drin. Bedienen Sie sich«, bot Kevin an und setzte sich an den Küchentisch.
Dan kam mit ein paar Coladosen zurück und gab ihm eine.
»Kein Biertrinker?«, bemerkte Dan.
»Manchmal schon«, antwortete Kevin. »Mein Vorrat ist alle.«
»Zu blöd. Es wird ein langer Tag«, sprach Dan weiter.
»Wird es das?«, wollte Kevin wissen.
»Ja.« Dan nickte und machte dann die Augen zu.
»Also, was ist los?«, fragte Kevin zögernd.
»Der Boss ist gar nicht glücklich«, brummelte er. »Er hat alle Kinder verloren. Wissen Sie, wo sie sind?«
»Nein, ich muss nach ihnen suchen gehen.«
»Nö, müssen Sie nicht. Der Boss sucht nach ihnen. Mein Befehl lautet, ein Auge auf Sie zu haben, bis er sie gefunden hat. Wie lästig.«
»Boss? Meinen Sie Dr. Sen?«, fragte Kevin, um ganz sicher zu sein.
»So in der Art. Der und Sophie.«
Kevin fragte sich, wer Sophie war und wie sie in den Schlamassel passte. »Sophie?«, fragte er und erwartete eigentlich keine Antwort.
»Ja, meine Schwägerin. Nervige Zicke«, seufzte Dan. »In solche Angelegenheiten werde ich nicht gerne verwickelt, aber sie hat darauf bestanden. Ich glaube, damit hat sie aber selbst nicht gerechnet.«
»Womit?«, ermutigte Kevin.
»Ne, ich sollte gar nicht mit Ihnen reden. Ich soll nur auf Sie aufpassen. Ist das langweilig. Glotzen wir doch eine DVD oder so«, sagte er und machte Kevin eine Geste, ihm ins Wohnzimmer zu folgen, wo er die DVD-Sammlung durchsah. »Mensch, das ist ja ‘ne Menge komischer Kram. Haben Sie Terminator oder so was?«
»Sie können sich gerne etwas herunterladen.«
»Super Idee!«, rief Dan begeistert. Er machte es sich neben Kevin auf der Couch gemütlich. Die nächsten vier Stunden sahen sie sich Action-Filme an.
~
Morena hatte das Gefühl, dass sie mittlerweile etwas von Kevin gehört haben sollte. Sie überlegte, ihn anzurufen. Er war erschöpft gewesen, aber selbst wenn man eine Ruhepause mit einplante, hätte er immer noch jede Menge Zeit gehabt, sie anzurufen. Also warum hatte er das nicht getan? Es hatte sie beunruhigt, dass er nach Hause fahren wollte. Die Leute, die ihn und die Kinder entführt hatten, konnten sein Haus überwachen. Was, wenn sie ihn wieder gefangen genommen hatten? Sie musste es überprüfen. Wie dem auch sein mochte, sie durfte die Kinder nicht in Gefahr bringen. Ihnen galt erste Priorität. Sie waren hinter den Kindern her. Sie würde ihm bis zum Morgen Zeit geben, sich zu melden. Wenn sie bis dann nichts von ihm gehört hatte, musste sie Kontakt zu Inez aufnehmen.
~
Dans Handy klingelte und brachte ihn schlagartig in Bewegung. Er sah genervt aus, weil man ihn bei seinem Film störte. Die Unterhaltung war einseitig. Von Dans Seite kam nur gelegentliches Grunzen. Er machte das Handy aus und sah Kevin grimmig an.
»Tja, die lustige Zeit ist vorbei. Dr. Sen ist auf dem Weg hierher«, sagte er und machte den Film wieder an.
Kevin starrte die Wand an und versuchte, den störenden Radau von Schüssen und Explosionen auszublenden, der aus seinem Fernseher dröhnte. Er musste nachdenken. Er würde unbeirrbar bei seiner Aussage bleiben, dass er nicht wusste, wo die Kinder waren. Und das hörte sich überhaupt nicht unglaubwürdig an. Schließlich war er alleine zu Hause angekommen. Konnte Dr. Sen noch etwas von ihm wollen, etwas, das mit dem Portal zu tun hatte? Dr. Sen hatte sich offensichtlich in die Systeme des Portals
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