normalerweise nicht geizig, was Edwin angeht. Er bekommt fast immer alles, worauf er zeigt.
»Wofür?«
»Um Schulden zurückzuzahlen.«
»Wie viel?«
»Zwölftausend Kronen.«
»Zwölftausend! Bist du wahnsinnig? Von wem hast du so viel Geld geliehen?«
»Von einem Typen. Kennst du nicht. Aber er wird allmählich ungeduldig und dann ist nicht mit ihm zu spaßen. Hast du Geld?«
»Nicht so viel!«
»Aber etwas? Den Rest kann ich vielleicht auf anderem Weg besorgen.«
»Wie auf anderem Weg ?«
Edwin verdreht die Augen. »Hör auf, du klingst schon wie Mama!«
Ich zögere einen Augenblick. Edwin hat mich noch nie um Geld gebeten. Es muss wirklich wichtig sein.
»Ich kann dir dreitausend leihen«, sage ich. »Keine Öre mehr. Und ich will das Geld in spätestens zwei Monaten zurückhaben. Okay?«
Edwin setzt die Sonnenbrille auf, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hat, und fährt sich mit den Fingern durchs Haar.
»Super. Du kriegst das Geld eher wieder. Ich hab da ’ne coole Sache laufen. Muss nur erst die Schulden zurückzahlen.«
Gegenüber vom Miranda gibt es einen Bankautomaten. Ich gehe rüber und stecke die Karte in den Schlitz. Es sind nur noch fünftausend Kronen auf dem Konto. Komme ich bis zum nächsten Gehalt mit zweitausend über die Runden? Ja, das müsste gehen. Zurück im Café, drücke ich Edwin sechs Fünfhundertkronenscheine in die Hand. Er nimmt sie entgegen und steckt sie schnell in die Innentasche seiner Jacke.
»Echt nett. Glaubst du, Papa macht was locker?«
»Das weiß ich nicht. Frag ihn selbst. Was hast du mit dem Geld gemacht? Weiß Mama davon?«
Zwischen Edwins Augenbrauen taucht eine tiefe Falte auf. »Natürlich nicht! Sag ihr nichts, hast du gehört!«
»Schon gut. Mach doch, was du willst.«
Edwin geht zum Ausgang. »Danke. Du kriegst es zurück. Promise . Wir sehen uns!«
Ich nicke. Gehe an eins der großen Fenster und schaue ihm nachdenklich hinterher. Unglaublich. Der junge Mann mit den ausladenden Schritten ist mein kleiner Bruder! Was hat er mit den Zwölftausend gemacht? Markenklamotten gekauft? Eine teure Spielkonsole? Gibt es irgendwas, das er noch nicht hat?
Mein Handy piepst. Eine SMS von Markus.
Ich habe Sofi angerufen. Wie geht es dir? /Unruhig
Ich weiß nicht, was ich antworten soll, also antworte ich gar nicht. Als es wieder piepst, bin ich sicher, dass es Markus ist, der nachhakt, und nehme das Handy nicht noch einmal aus der Tasche. Darum entdecke ich Adrians SMS erst, als ich nach Hause komme.
Guck in deine Mail! /A
Ich kriege kaum Luft. Muss mich ein paar Sekunden aufs Atmen konzentrieren.
Er darf mir nicht schreiben!
Das ist strengstens verboten!
Trotzdem rase ich wie der Blitz los und schalte den Computer ein, als könnte er sich in Luft auflösen, wenn ich nicht schnell genug bin. Ungeduldig warte ich, während er knatternd hochfährt und überhaupt nicht mit der Startprozedur zu Ende kommen will. Mein Herz hämmert wie wild.
Mein Gott, bin ich kindisch!
Kindisch, hinterhältig und falsch.
Nach einer halben Ewigkeit schnurrt die Festplatte endlich gleichmäßig und still. Ich öffne Outlook Express. Vier neue Mails. Und eine davon von Adrian. Meine Beine sind plötzlich ganz weich und mein Mund ist trocken. Ich lasse mich auf den Schreibtischstuhl fallen, werfe dem geschnitzten, balinesischen Regal einen kurzen Blick zu, ehe ich die Mail öffne.
Emma,
habe heute eine Anzeige für die Suzuki aufgegeben. Ein Scheißgefühl, ich kann nicht sagen, ob es richtig oder falsch ist. Was denkst du? Eigentlich hat Ellinor ja nichts davon, dass ich jetzt sauer bin, weil ich sie verkaufen muss. Ich weiß, dass das Ganze mein Fehler war, aber der ist nicht wieder gutzumachen, egal, was ich tue. Soll ich sie wirklich verkaufen, was meinst du?
Umarmung /A
P.S. Antworte am besten an folgende Adresse, die kennt außer dir keiner.
adrian.fü
[email protected] Also, versteh das nicht falsch. Es tut nur gut, mit jemandem reden zu können, der mich versteht.
Ich lese die Mail mehrmals durch. Versuche zu begreifen, was sie bedeutet. Außer dir keiner, steht dort. Er hat einen Tunnel gegraben, durch den wir uns, verborgen vor den Blicken anderer, erreichen können. Einen Tunnel abseits der Wirklichkeit.
Warum?
Damit ich ihm bei seinen Beziehungsproblemen mit Ellinor helfe. Natürlich, das ist es, ja. Er hofft, dass ich ihm helfen kann, die Beziehung zwischen ihm und Ellinor zu verbessern. Immerhin kenne ich Ellinor länger als er. Ellinor und