Er liebt mich, er liebt mich nicht - Gibson, R: Er liebt mich, er liebt mich nicht - Daisy's Back in Town
Schritten zum Telefon. »Wehe, es ist nicht wichtig«, sagte er in den Hörer.
»Hallo«, meldete sich eine Frauenstimme. »Hier ist Louella Brooks. Ist Daisy bei dir?«
Er warf Daisy einen Blick zu. »Oh, hallo, Mrs. Brooks. Ja, sie ist hier.«
Eilig trat Daisy neben ihn und nahm ihm den Hörer aus der Hand. »Hallo?«, sagte sie und blickte mit gefurchter Stirn zu Jack auf. »Wie bitte? Was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit ihr?« Ihre Brauen hoben sich abrupt. »Gut. Wo ist Pippen?« Daisy legte sich die Hand an die Wange. »Gott sei Dank.« Eine Pause entstand. »Gut. Bin schon unterwegs«, erklärte sie, legte auf und wandte sich Jack zu.
»Was ist passiert?«
»Meine Schwester hat völlig den Verstand verloren. Das ist passiert«, sagte sie, ging zum Küchentresen und griff nach ihrer Handtasche.
Er ignorierte das drängende Ziehen zwischen seinen Beinen, nahm sein T-Shirt von der Stuhllehne und zog es sich über den Kopf. »Ist alles in Ordnung mit Lily?«
»Nein, sie ist verrückt geworden. Wie sind sie und Mutter nur zurechtgekommen, bevor ich hier war?«, fragte sie geistesabwesend, während sie den Wagenschlüssel aus ihrer Tasche kramte. »Sind sie im Kreis herumgelaufen wie kopflose Hühner? Was machen sie nur, wenn ich wieder nach Hause fahre?« Sie verließ die Küche und durchquerte das Wohnzimmer. »Großer Gott, selbst ich weiß besser, was ich tue. Ist das nicht beängstigend?«
Er antwortete nicht, weil die Frage zweifellos rhetorisch gemeint war, und er wollte sie nicht noch mehr beunruhigen.
Durch die Fliegentür sah er zu, wie sie in den Wagen ihrer Mutter stieg und davonfuhr. Ein flüchtiger Blick auf die
Heckleuchten des Cadillacs und das Jaulen des Keilriemens, als sie auf die Straße einbog, war das Letzte, was er von Daisy Monroe wohl zu sehen und zu hören bekam.
Jack ging durch das leere Haus zurück in die Küche und stellte die Milch wieder in den Kühlschrank, als sein Blick auf den weißen Umschlag fiel, den sie ihm dagelassen hatte. Stevens Brief. Er hob ihn auf und drehte ihn hin und her. Auf der Vorderseite stand sein Name in Blockbuchstaben mit blauer Tinte.
Er öffnete eine Schranktür und schob den Brief zwischen zwei Kaffeebecher. Eines Tages würde er ihn lesen. Aber nicht heute. Nicht, wenn die Erinnerung an Daisy, nackt auf dem Kofferraum des Lancer, noch so frisch war. Nicht, solange er noch den Geschmack von Stevens Frau im Mund verspürte.
Seit sie wieder in der Stadt war, hatte er sich gefragt, ob es wohl ebenso schön wäre, mit Daisy zusammen zu sein, wie damals. Nun wusste er die Antwort, und sie lautete: noch viel besser. Besser auf eine Art, die er nicht einmal versuchen wollte zu definieren. Er wusste nur so viel, dass es anders war. Es war mehr als nur Sex, mehr als die Lust, die er normalerweise verspürte, wenn er mit einer Frau zusammen war. Mehr als eine schnelle Nummer auf dem Kofferraum eines Wagens.
Er war nicht verliebt. Er wusste ganz sicher, dass er nicht in Daisy Lee verliebt war. Er mochte ein wenig langsam reden, aber er war keineswegs dumm. Und Daisy zu lieben wäre reine Dummheit gewesen. Er konnte nicht sagen, warum es sich so anders anfühlte, mit ihr zu schlafen, und er wollte es auch nicht wissen. Denn er war nicht der Typ, der sein Leben analysierte und nach verborgenen Bedeutungen suchte. Nein, er war der Typ, der alles in sich hineinfraß und wartete, bis es in den Tiefen seiner Seele verschwunden
war. Das Einzige, was er mit Gewissheit sagen konnte, war, dass der Sex mit ihr besser gewesen war als alles, was er seit langer Zeit erlebt hatte. Und es war nur gut, dass sie bald nach Hause fuhr, damit er sein altes Leben wieder aufnehmen konnte. Das Leben, das er geführt hatte, bevor sie in der Stadt aufgetaucht war und ihn an Dinge erinnert hatte, die besser nicht ans Tageslicht gezerrt worden wären.
Jetzt war sie fort, und er sah keinen Grund, noch länger an sie zu denken.
Überhaupt keinen Grund.
Ein schwarzweißer Abschleppwagen fuhr vor Ronnies Haus vor, als Daisy und Louella auf dem Weg ins Krankenhaus vorbeikamen. Die Fahrt zu Ronnies Haus stellte nur einen kleinen Umweg über den Locust Grove dar, und sie mussten sich das Ausmaß der Zerstörung mit eigenen Augen ansehen.
Ronnies Häuschen war beige gestrichen und mit Stuck verziert, und irgendjemand hatte den Schädel eines Longhorn-Rinds über der Haustür angenagelt. Sein Garten bestand aus stoppeligem braunem Unkraut – ein reichlich trister Anblick,
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