Er trank das ewige Leben
Blutsauger schon das Dach erreicht. Er rutschte darüber hinweg. Marek, der ihm nachschaute und jetzt auch nachleuchtete, weil er wieder die Lampe an sich genommen hatte, sah für einen Moment das bleiche Gesicht durch den Schein tanzen, dann war die Gestalt bereits vom Dach verschwunden.
Sie prallte auf, was deutlich zu hören war, und er bekam auch die dumpfen, stampfenden Tritte mit, als der Blutsauger flüchtete.
Es gab keine Chance mehr, um ihn einzuholen. Einen Fluch schickte Frantisek der Gestalt noch hinterher, mehr konnte er nicht tun.
Langsam drehte er sich um.
Negru saß auf seinem Bett. Er rang dabei nach Luft und strich immer wieder mit den Handflächen über seine schweißnasse Haut. Der Mund stand weit offen, die Lippen waren mit Speichel beschmiert, aber er schien unverletzt zu sein und war wohl auch nicht gebissen worden.
Marek nahm die Lampe und suchte den Hals seines Freundes ab. Er bekam seine Vermutung bestätigt. Keine Wunden, keine aufgerissene Haut. Es war alles okay. Negru war mit dem Schrecken davongekommen.
»O Gott!« keuchte er. »O Gott…«
Marek rüttelte ihn an der Schulter. »Er hat es nicht geschafft, mein Freund. Er hat es nicht geschafft. Es ist alles okay. Du bist in Ordnung, ich bin es ebenfalls. Wir beide haben es überstanden. Mephisto ist wieder verschwunden.«
»Ja, ja«, murmelte Negru. »Er ist wieder verschwunden, das weiß ich genau.«
»Keine Panik deshalb.«
»Aber er ist gekommen, Marek.« Negru klammerte sich an Mareks Handgelenk fest. »Er ist tatsächlich gekommen. Er war plötzlich da. Ich habe etwas gehört.« Er verbesserte sich. »Nein, ich habe nichts gehört. Zunächst jedenfalls. Ich war nicht in der Lage. Ich habe einfach zu tief und zu fest geschlafen.«
»Du warst müde.«
Negru lachte. »So kann man es auch bezeichnen. Ich war betrunken, besoffen, und ich habe geschlafen. Aber das Fenster, das hat er eingeschlagen, und da wurde ich wach.«
Der Pfähler schaute zum Fenster hin. In seiner alten Form gab es das nicht mehr. Das Glas war herausgestoßen worden und lag in Scherben auf dem Boden.
»Zum Glück war es geschlossen.«
»Ja, da hast du recht.«
»Es war Mephisto, nicht?«
Negru betastete sein Gesicht, ließ die Hände daran nach unten gleiten und bestätigte Mareks Frage durch sein Nicken. »Du hast recht. Es ist Mephisto gewesen, und wir hätten damit rechnen müssen, daß er plötzlich hier bei uns erscheint.«
»Ja, er wird bemerkt haben, was mit seinen beiden Dienerinnen geschah. Das ist schon richtig. Zum Glück haben wir es geschafft, und das allein zählt.«
Negru schaute Marek an. Er sah alt und verbraucht aus, wie jemand, der aufgegeben hatte. »Ich hatte noch was vergessen, alter Freund. Ich möchte mich bei dir bedanken. Wärst du nicht gewesen, hätte ich das gleiche Schicksal erlitten wie meine Töchter.« Negru schüttelte sich.
»Der hätte mich fertiggemacht. Der war stark, wild und grausam. Man kommt als einfacher Mensch nicht gegen ihn an. Selbst du«, er wies auf Marek, »hast es nicht geschafft. Er konnte dich reinlegen, einfach so. Er hat eine Decke genommen und sie dir entgegengeschleudert. Es war so leicht für ihn, so lässig, und selbst mit deiner Waffe hast du dagegen nichts anrichten können. Das ist verflucht schlimm.«
»Wir sollten es trotzdem vergessen«, schlug Marek vor.
Sein Freund blieb weiterhin niedergeschlagen auf dem alten Bett hocken. »Vergessen? Kannst du das? Schaffst du es wirklich, das alles zu vergessen?«
»Ich muß es versuchen.«
»Sicher, Marek, das mußt du. Du mußt alles versuchen, ich muß es ebenfalls, aber ich kann es nicht. Er ist ein Symbol des Schreckens. Er tauchte plötzlich auf. Er war wie wahnsinnig…«
»Hast du ihn gesehen?«
»Natürlich habe ich das.«
»Was ist dir an ihm aufgefallen?«
Negru verzog die Lippen. »Alles, Frantisek. Mir ist alles an ihm aufgefallen.«
»Moment, mein Lieber. So meine ich das nicht. Hast du dir sein Gesicht genauer angeschaut?«
Negru runzelte die Stirn. »Es ging alles verdammt schnell, kann ich dir sagen.«
»Die beiden Zähne?«
Negru runzelte die Stirn. »Ich sah sie aufblitzen, aber es ging einfach alles zu schnell. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren.«
»Auch nicht auf die Zähne?«
Negru rieb sich über die Augen. »Warum hackst du darauf herum? Was meinst du genau damit?«
»Du weißt, wie ein Vampir aussieht oder wie er landläufig auszusehen hat?«
»Ja…«, drang es zögernd aus Negrus
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