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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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hatte ich mit roten Spangen lose aufgesteckt, so dass sie mir kringelig in Stirn und Nacken fielen. Ich wusste, dass es Frederic gefallen würde.
    Schon mehrfach hatte er mir geraten, mir doch eine dieser modernen, sehr frechen, fransigen Kurzhaarfrisuren schneiden zu lassen, die bei meinen Locken garantiert hip gewesen wären.
    Jetzt war mein Haar zwar nicht kurz, aber es sah so aus. Vor allem sah es besser aus als bei Estefania, die am Nachmittag ihre langen Haare hatte abschneiden lassen.
    Im Spiegel blinzelte ich mir zu. Ich fühlte mich schön und sehr weit weg von daheim. Nicht mehr die kleine Cora, die noch im Kinderzimmer wohnte und in Bettwäsche mit Marienkäfermuster schlief.

    Als wir lachend und lärmend, wie wir es zu Hause nie gewagt hätten, in die Pizzeria einfielen, die Tische zusammenschoben und daran Platz nahmen, setzte Frederic sich zu mir auf die Bank. Wir mussten eng zusammenrücken, damit alle beisammensitzen konnten. Daher berührten sich unsere Körperseiten von der Schulter bis zur Hüfte. An meiner anderen Körperhälfte hielt ich Tuchfühlung mit einer der Betreuerinnen. Und Frederic hatte noch einen der Oberministranten hautnah neben sich.
    »Wie Sardinen in der Büchse.«
    »Wie Trippledecker mit Ketchup und Mayo.«
    »Wie angeschleckt und drangebeppt.«
    Alles lachte. Keiner dachte sich etwas bei so viel Nähe.
    Auch mir wurde sie erst bewusst, als Frederic plötzlich seinen Fuß um mein Fußgelenk schlang und unsere beiden Füße gemeinsam unter die Sitzbank zog.
    Ich war so erschrocken, dass ich völlig verwirrt »Oh, Entschuldigung!« stammelte und hastig meinen Fuß aus der Umklammerung zu lösen versuchte.
    Frederic lachte. So ein leises, dunkles Lachen tief in der Kehle. Ich hätte am liebsten wie ein Kätzchen geschnurrt und meinen Kopf an seine Schulter gelegt..

    Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter uns bestellten Rotwein und Grappa zur Pizza. Wir Kinder begnügten uns mit Cola und anderen alkoholfreien Getränken. Irgendwann kam zum Wein eine Flasche Cognac auf den Tisch. Keines der anderen Mädchen traute sich, Cola mit Schuss zu trinken. Ich schon.
    Mit dem Alkohol wurden die Witze anzüglich. Obwohl ich sie nicht so ganz kapierte, lachte ich mit. Als Frederic seinen Arm hinter mir über die Rückenlehne der gemeinsamen Sitzbank legte, bestand kein großer Unterschied mehr zu einer wirklichen Umarmung.
    Prompt fielen die ersten dummen Bemerkungen. Jetzt habe er so ein hübsches Mädel im Arm und könne doch nichts damit anfangen, meinte irgendwer. Alle lachten, feixten. Frederic schien gute Miene zum bösen Spiel zu machen, als er mir vollends den Arm um die Schultern legte und mitlachte.
    Ein paar Mädchen guckten mich voller Empörung an.
    Ihre Blicke bewirkten, dass es mir plötzlich peinlich war, so von Frederic gehalten zu werden. Ich verstand sofort, was sie mir mit ihren Blicken sagen wollten. »Das ist ein Mann Gottes. Du Sünderin!«

    Ich schämte mich und versuchte, etwas von ihm abzurücken, doch Frederic rutschte wie zufällig nach. Es war klar, er wollte mich nicht loslassen.
    Immer deftigere Scherze flogen hin und her. Estefania mit ihrer spitzen Zunge erntete die meisten Lacher. Ihren Spruch: »Hey, Frederic, jetzt darfst du aber nicht mehr so viel Rotwein trinken. Du hast ja schon einen ganz roten Kopf«, konterte einer der Oberministranten: »Ja, kein Wunder, die Cora hat ja auch die erste Hitze noch.«
    Ich wurde rot und bewegte mich so, dass Frederics Arm von meiner Schulter abrutschte. »Du bist so süß!« Er lachte.
    Als er sich ein wenig umdrehte, um Estefania Wein nachzuschenken, glitt seine freie Hand wie unbeabsichtigt nahe dem Schritt auf meinen Oberschenkel, blieb dort liegen und fuhr dann mit einer langen, sinnlichen Streichelbewegung bis zum Knie herunter.
    Ich zuckte zusammen, so erschrocken war ich. Diese Berührung war anders als alles, was ich bisher kannte.

    Natürlich hatten auch andere bemerkt, dass Frederic seine Finger nicht mehr bei sich behalten konnte. Während die Jungen anzüglich grinsten und sich mehr oder weniger unverhohlen über »den armen Kerl« lustig machten, der »so gern wollte und nicht durfte«, schoss Estefania mir giftige Blicke zu und zupfte nervös an ihren frisch geschnittenen Haarfransen herum. Ich fand, sie sah aus wie ein gerupftes Huhn.
    Weit beunruhigender als die doofen Sprüche der Jungen fand ich, dass die ersten Mädchen aus der Ministrantinnengruppe unter dem Vorwand der Müdigkeit ins

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