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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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braunen, mit einem Strick umgürteten Kutte, der eher unheimlich als anziehend auf uns wirkte. Frederic versicherte uns jedoch: »Ihr werdet dem wahren Wesen des Heiligen erst nahekommen, wenn wir in Assisi sind und vor den liebevollen Darstellungen seines Lebens an den Wänden der zu seinen Ehren errichteten Kirche stehen.«
    Er musste es wissen. Schließlich war er schon oft in Assisi gewesen.

    Umbriens grüne Welt faszinierte mich schon bei ihrem Anblick aus dem Zugfenster. Als Schwarzwaldmädel waren mir dichte Wälder, bergige Hügel und Gießbäche vertraut, die überraschend zwischen dunklen Tannenwipfeln hervorbrechen und zu Tal glitzern. Umbrien aber war anders. Ich empfand es als wilder. Schroffer. Enger. In diesen undurchdringlich anmutenden Wäldern, diesen Talschluchten konnte ich mir Wölfe gut vorstellen.
    Wie mutig musste Franziskus gewesen sein, der hier als Einsiedler gelebt hatte. Oder war er vielleicht eher lebensmüde gewesen? War er vor den Menschen geflohen, weil er erfahren hatte, dass sie schlimmer als die wilden Tiere waren, mit denen er in seiner Waldeinsamkeit Gesellschaft pflegte? Schlimmer, weil sie wissentlich böse waren, die Tiere aber nicht?

    Es erinnerte mich an >Wolfsblut<, eine Novelle von Jack London, die ich gelesen hatte. Sie handelt von einem Mann, der in der arktischen Wildnis von einem Wolfsrudel verfolgt wird und keine einzige Patrone mehr besitzt, um sich zu verteidigen. Lange jagt ihn das Rudel, bis der Mann völlig erschöpft an einem kleinen Feuer einschläft. Als er erwacht, umringen ihn die Wölfe, ohne ihn anzufallen. Da erkennt er, dass sie keine hasserfüllten Mordbestien sind, obwohl sie das »unschuldsvolle Gier-Gesicht« eines Raubtiers haben. Die Wölfe sehen in ihm zwar ihre Beute, aber nicht den verhassten Feind. So sind sie unschuldig, obwohl sie töten wollen.
    Den Ausdruck »unschuldsvolles Gier-Gesicht« habe ich nie vergessen. Hier im Zug stellte ich mir vor, wie Franziskus diesem Gesicht begegnet war. Er war wie der Held bei Jack London, unbewaffnet inmitten der Wildnis. Jeden Tag musste er bei seiner Nahrungssuche wilden Tieren begegnet sein, die in ihm eine leichte Beute witterten. Hätten sie ihn angefallen, er hätte sich nicht wehren können. Aber sie taten es nicht. Warum?
    Von Wölfen hatte ich keine Ahnung. Aber ich kannte mich mit Hunden aus. Daher wusste ich, dass Hunde vor einem Menschen, der ihnen furchtlos und gelassen begegnet, Respekt haben und viel schneller zubeißen, wenn sie spüren, dass man Angst vor ihnen hat. Tritt man ihnen selbstbewusst, aber ohne sie zu bedrohen entgegen, laufen sie entweder weg oder nehmen vorsichtig, aber freundlich Kontakt auf.
    Ich verstand plötzlich, wieso Franziskus als Einsiedler überleben konnte. Gott verlieh ihm dieses Selbstvertrauen, denn Franziskus wusste, dass Gott mit ihm war. Egal, was passieren würde, für Franziskus war es ohne Wenn und Aber Gottes Wille. Diese Zuversicht stärkte ihn so, dass die wilden Tiere seine geistige Kraft spürten und ihn nicht angriffen. Schließlich ließen sie sich sogar von ihm anlocken, so dass er ihnen predigen konnte.
    Es müsse guttun, so fest an Gott glauben zu können und dadurch stark zu werden, dachte ich. Frederic hatte ganz sicher auch diesen Glauben wie Franziskus.

    Ich staunte, auf wie vielen Bergkuppen Umbriens altertümlich anmutende Ortschaften gleich Adlerhorsten klebten. Aus dem Zugfenster sah ich, dass manche von festen Ringmauern umgeben waren. In anderen Orten waren Gebäude mit hohen Arkadenbögen bis auf die schroff abfallenden Felshänge gebaut, als sollten diese die Zufahrtswege vom Tal herauf bewachen.
    Ockerfarbig, oftmals altrosa oder weiß leuchteten die verwinkelt gebauten Häuser. Die roten Dächer mit ihren nach oben gewölbten Ziegeln hoben sich vom Grün der umliegenden Wälder und dicken Maccia ab. In jedem Ort umringten die Gebäude Kirchen mit hohen, eckigen Türmen, deren Glockenwerk aus der Entfernung wie schwere Trauben anmuteten, die in den Schalllöchern hingen. »Campanile« hatte Frederic sie genannt und uns erzählt, dass sie meist freistehend neben dem Kirchenschiff errichtet wurden, anstatt wie bei uns Teil davon zu sein.
    Mir kam es damals so vor, als strebten die Bewohner Umbriens stärker der Sonne, stärker Gott entgegen als wir, die wir uns lieber in den Schutz der umgebenden Berge duckten.

    Assisi ist für mich so eng mit Frederic verbunden, dass ich die Stadt mit seinen Augen sehen lernte und sie nur mit

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