Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
Clandestine Service , angeeignet hatte, hatte er seine körperliche Schwäche bisher wieder wettmachen können, aber das würde sich bald erledigt haben. Der Posten des Stationsleiters in Peking war nur den dienstältesten NCS -Beamten vorbehalten. Wie bei der Beförderung eines Kapitäns zur See für einen Flugzeugträger erforderte diese Arbeit so viel Erfahrung, dass nur jemand dafür qualifiziert war, der kurz vor dem Ausscheiden aus dem Außendienst stand. Ein Schreibtischjob in Langley oder auf der Farm wäre seine nächste Haltestelle, doch damit hatte er noch längst nicht Frieden geschlossen.
Mitchell verriegelte die Tür und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. Sein Rücken protestierte, und an der linken Seite hatte er mit Sicherheit einen hübschen blauen Fleck, den er sich durch Alphas Schuld zugezogen hatte. Doch im Moment musste er sich damit abfinden. Er griff zum sicheren Telefon und wählte in die USA . Endlich kam ihm die Zeitverschiebung einmal zugute: Clark Barron begann gerade seinen Arbeitstag. »Hallo, Chef«, meldete sich Mitchell.
Die Stimmverzögerung zwischen Peking und Langley war nur leicht, aber immer noch wahrnehmbar. In der CIA -Zentrale sah Barron auf die Weltzeituhr an der Wand. »Sie sind aber noch spät auf«, stellte er fest.
»Nach Hause zu gehen wurde gerade etwas gefährlich«, erklärte Mitchell. »Ich hatte einen Termin mit Pioneer, aber unsere Gäste waren ab dem Moment hinter mir her, als ich nach draußen ging. Vorsicht haben sie nicht walten lassen.«
»Sie sind aufgeflogen?«, fragte Barron. Einen Stationsleiter in Peking zu verlieren wäre schon sehr unangenehm, doch einen genau in diesem Moment zu verlieren, wäre ein echtes Problem.
»Ich glaube nicht«, antwortete Mitchell. »Soweit ich gehört habe, mischen die alles auf. Rennen auch einigen der Botschaftsmitarbeiter hinterher. Sie verfolgen alle, die das Haupttor verlassen.«
Barron brummte. »Ich habe gestern Abend mit Sir Lawrence im Vauxhall Cross gesprochen. Er meint, seine Jungs werden genauso behandelt. Die Australier auch. Er hat sie mit ›sehr unzivilisiert‹ beschrieben. Wie nah sind sie Ihnen gekommen?«
»Nah. Ich habe mehrere Prellungen.« Mitchell spürte eine weitere an seinem rechten Arm, wo ihn Alpha gegen die Mauer gestoßen hatte. Er würde sich nach dem Telefonat ein Schmerzmittel und eine Eispackung besorgen.
»Haben Sie sich gewehrt?«, erkundigte sich Barron.
»Nein. Ich werde einen anderen Weg finden, um es ihnen heimzuzahlen«, antwortete Mitchell. Diese Lektion hatte er in Moskau gelernt, wo ihn ein SVR-Beamter fast vor einen fahrenden Bus gestoßen hatte. Eine kleine Narbe zwischen zwei Knöcheln von den Zähnen des Russen waren bei Mitchell zurückgeblieben. Die Freunde des Mannes hatten Mitchell drei Rippen gebrochen und seine Wohnung kurz und klein geschlagen, bevor er aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war.
»Ist das eine Reaktion auf Taiwan?«, überlegte Barron.
»Ich glaube nicht. Die Leute haben schon vor Liangs Angriff angefangen, die Ausländer aufzumischen. Heute war das erste Mal, dass ich berührt wurde, aber ich war ja in letzter Zeit nicht viel auf der Straße.«
»Hat ihnen einer von Ihren Leuten einen Grund dazu gegeben?«, fragte Barron weiter. Schikanen in solchem Ausmaß gab es sonst eigentlich nur in Moskau. Dieses Vorgehen musste also einen Grund haben.
»Wenn sie etwas angestellt haben, hat es mir niemand gesagt. Ich werde sie morgen früh alle zusammenrufen und fragen, aber ich glaube nicht, dass wir angefangen haben«, versicherte Mitchell.
»Also wenn ihnen jemand auf den Wecker gegangen ist, werfen sie mit ganz schön viel Personal um sich«, gab Barron zu bedenken. »Und wenn sie nicht einfach nur unglücklich über Liangs Dummheit sind, dann geht da etwas anderes vor sich. Die Chinesen sind keine Russen. Die tun solche Sachen nicht aus Jux und Tollerei.«
»Sie haben recht«, stimmte Mitchell zu. »Unsere Gastgeber wissen, dass es einen Spitzel gibt, und sie wollen, dass die Aktivitäten eingestellt werden, bis sie ihn gefunden haben. Oder zumindest möchten sie, dass wir mehr zu tun haben. Ich wette, sie haben einen bestimmten angeworbenen Spion im Visier, wissen aber nicht, für wen er arbeitet. Deswegen mischen sie alle auf und werfen dann ihr enges Netz aus, um zu sehen, wer das Opfer rettet. Wenn das stimmt, würde ich an ihrer Stelle die Angehörigen aus allen NATO -Ländern überwachen, und die Koreaner und Japaner noch dazu. Vielleicht
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