Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Nur so kann sie den Fluch loswerden, und ich finde, das hat sie auch verdient. Niemand sollte so lange so leiden. Meine Vorfahrin kann unmöglich eine solche Bestrafung für die Ewigkeit vorgesehen haben.« Sie ballte ihre Fäuste. »Heerführer, ich werde zum Auge der Götter reisen, ob mit oder ohne Eure Zustimmung!«
Herdanik schaute sie an, blickte zu Salvatorus und schüttelte den Kopf. Er wog in Gedanken die unterschiedlichen Argumente ab. Es dauerte, bis er seine Stimme wiederfand, doch dafür klang er ruhiger und entschlossener. »Ich werde Eurem Wunsch entsprechen, Fräulein Mina. Ich kümmere mich darum, dass die besten fünfundzwanzig Krieger der Greifengarde für Euch abgestellt werden, und dann können wir gemeinsam zu dem vermaledeiten Gipfel reisen.«
»Wunderbar«, sagte Mina erleichtert, »dann müssen wir nur noch Zados aus dem Kerker holen.«
Herdanik erstarrte. »Was?«
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Ein neuer Morgen war angebrochen. Das düstere Kobaltblau am Horizont wich einem sanften Fuchsrot. Feiner Frühnebel lag in der Luft, der über die Zinnen wogte. Die abkommandierten Greifenreiter hatten sich auf einer rechteckigen Landeplattform im Garten des Palastes versammelt und standen aufbruchsbereit neben ihren Tieren. Mina trat mit Nexus auf den Platz. Tief atmete sie die noch frische Luft ein.
»Ganz schön kühl, wirklich«, sprach Nexus das aus, was sie dachte.
Sie nickte nur. »Ist das normal? Die letzten Tage war es sommerlich warm, und seit gestern sind die Temperaturen deutlich gefallen.«
»Nein, das ist nicht normal, nicht normal. Habe sowas noch nicht erlebt. Nexus weiß nicht, was mit dem Wetter ist, aber Nexus hat auch noch niemals Wurzelfresser in der Nähe von Tempelburg gesehen.« Er blickte besorgt drein.
Mina hätte ihm seine Verunsicherung gerne genommen, aber sie wusste nicht wie. »Da haben wir ja Glück, dass uns die Hofdamen besonders warme Kleidung eingepackt haben«, war das Einzige, was ihr einfiel.
»Oh ja! Trotz der Gerüchte über Melanies Verrat sind sie fürsorglich wie immer.« Nexus gab einen gackernden Ton von sich, der wohl ein Lachen darstellen sollte. »Sie sind froh, dass sie dich umsorgen können, Mina. Sie hatten in den letzten Tagen nicht allzu viel zu tun, weißt du? Als sie hörten, dass wir zum Auge der Götter reisen, haben sie in einer Rekordzeit ein vollständiges Reisegepäck zusammengestellt, das uns in den unmenschlichen Höhen der Bergkette des Ohemes sicherlich gute Dienste leisten wird, wirklich!«
»Sie sind einsam«, vermutete Mina. Jetzt sah sie traurig aus. »Soweit ich weiß, hatten sie nur einen Lebenszweck: der Regentin zu Diensten zu sein, doch es gibt momentan keine. Jetzt fühlten sie sich unnütz, und das möchte niemand sein.«
Sie musste daran denken, dass sie – wenn sie einst die Regentin wäre – jeden Tag von den Hofdamen verfolgt, bemuttert und nicht mehr aus den Augen gelassen werden würde. Jetzt fröstelte es sie. Schnell verwarf sie die Vorstellung. `Ich werde zum Auge der Götter reisen, dort Lian finden und somit jede Verantwortung für Dra'Ira in ihre fachkundigen Klauen geben. Dann besteht kein Grund mehr dafür, dass ich die neue Regentin werden müsste.´ Das zumindest war es, was sie hoffte.
Die freien Völker waren untereinander uneinig, und selbst Salvatorus hatte seinen Einfluss auf die Ratsmitglieder einbüßen müssen. Ohne eine neue feste Hand würden sie sich anscheinend nicht mehr zusammenführen lassen. Doch Lian würde das können. Lian war mehr als ein Drache; sie war ein Symbol! Kaum jemand glaubte daran, dass sie noch lebte. Der große Drachenkrieg hatte vor über 3.000 Jahren stattgefunden und mit Lians Kampf und Sieg gegen den Drachenfürsten Terranus geendet. Zwar war man sich sicher, dass Lian durch die magischen Beeinflussungen der Elben älter als jeder normale Drache geworden war – immerhin hatte sie 1.000 Jahre regiert, bevor sie spurlos verschwunden war –, aber sie nach einer so langen Zeit noch finden können? Nein, das war zu phantastisch. Dennoch, Mina trug die Hoffnung in ihrem Herzen, auch wenn ansonsten niemand daran glaubte. Und wenn sie Lian fand, konnte sie vielleicht auch wieder nach Hause.
`Mein Zuhause´, dachte sie. `Ist es das noch? Kann man den Vergessenszauber, den Nirvan über die Menschen gelegt hat, rückgängig machen?´ Sie schnaubte. Nirvan, den Namen hatte sie versucht, aus ihren Gedanken zu vertreiben. Doch immer, wenn er wieder in ihr Bewusstsein trat, spürte sie
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