Erbe des Drachenblutes (German Edition)
worden, aber alles war anders gekommen als erwartet. Die Elben innerhalb der Stadt hatten mit Unterstützung anderer verräterischen Volksvertreter ganze Straßenzüge unter ihre Kontrolle gebracht und ein Stadtviertel – das Nordviertel – abgeriegelt. Keiner kam mehr hinein, keiner kam mehr heraus. Die Bevölkerung war in Panik geraten, viele waren in kleineren Gefechten getötet worden. Die meisten Bewohner waren keine Krieger, und die Jahrhunderte des Friedens hatten sie geschwächt. Die Garde und die normalen Fußsoldaten hatten es kaum geschafft, die Bewohner der anderen Viertel zur Ruhe zu bringen, da hatte der Angriff des außen stehenden Heers begonnen. Die Elben taten das Unvorstellbare: Sie stürmten gegen die Südmauer. Gleichzeitig wurden die Ratssprecher, die noch hinter Salvatorus und somit auch hinter Mina standen, in Sicherheit gebracht, weit hinauf, zu den obersten Türmen des Palastes.
Es dauerte nicht lange, da wurde den Befehlshabern der Stadt klar, dass es sich bei dem Angriff von Süden her nur um ein Ablenkungsmanöver handelte. Ein großer Trupp berittener Elben hatte sich im weiten Bogen – außerhalb der Sichtweite der Wachtürme – auf die Nordseite geschlagen. Dann erscholl der Ruf, dass die Nordtore geöffnet wurden. Alles schien verloren. Schneller, als es sich Salvatorus jemals hätte vorstellen können, schien Tempelburg zu fallen – gegen die eigenen Verbündeten.
»Was wird mit den Bürgern?«, kam Nexus‘ Stimme aus den Massen. Sehen konnte Zados seinen Freund nicht, dafür ging der kleingewachsene Waldkobold in dem aufkommenden Tumult einfach zu sehr unter, aber aufgrund der Stimme schätzte er ihn keine drei Meter entfernt.
»Wir müssen versuchen, sie in Sicherheit zu bringen! Sie müssen hinauf zum Palast, hinter den Schutzwall der inneren Mauer. Nur dort können sie versuchen, so lange Unterschlupf zu finden, bis vielleicht Rettung naht.«
»Welche Rettung?« Die Frage stellte ein Fußsoldat, der neben dem Halbelben stehen geblieben war. Zados schaute ihn verwundert an, dann nickte er. »Versucht die Bewohner zum Palast zu bringen. Nur dort können sie ausharren. Die Elben haben dem Rat eine eindeutige Forderung zukommen lassen: Entweder wir übergeben Tempelburg und unterwerfen uns ihrer Regentschaft, oder niemand wird die Stadt lebend verlassen!«
Der Soldat schaute Zados mit aufgerissenen Augen an. »Warum tun sie das? Wir waren doch Verbündete, seit Jahrhunderten!«
Zados schluckte schwer. Der Soldat befragte ihn zu dem Verhalten der Elben, als sei er ein Mensch, und kein Angehöriger des königlichen Elbengeschlechts. Und tatsächlich empfand er in dem Augenblick mehr Verbundenheit zu jeder anderen Rasse, als zu den Elben.
»Ich kann es auch nicht verstehen, guter Mann, aber sicher ist, dass dieser Umsturz schon sehr lange und gründlich vorbereitet wurde. Bereits als im Rat noch verhandelt wurde, stand die Entscheidung der Elben schon fest, sonst hätte das Heer dort draußen niemals so schnell hierher gelangen können. Es muss sich seit Tagen in den angrenzenden Wäldern verborgen gehalten haben, und das wäre niemals möglich gewesen, wenn nicht alle drei Elbenfürsten die Entscheidung gemeinsam getroffen hätten. Dort draußen stehen Mitglieder der Elbenfamilien von Hornameed sa dee, dem Sanften, von Banksia, dem Lautlosen, und von Fürst Nadelzweig, dem Eisernen.«
Der Soldat fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. »Ich war bei einer der Einheiten, die versucht hatten, in den letzten Monaten Kontakt mit den Fürsten aufzunehmen. Unsere Regentin hatte schon sehr lange nichts mehr von ihnen gehört, es gab nur noch Xsanthani als Verbindung zu ihnen. So etwas hatte es seit Jahrhunderten nicht gegeben – einen einzelnen Ratssprecher als Sprachrohr für die drei größten Machthaber in einem Reich – und deshalb hatte sie versucht, um ihn herum Kontakt mit den Elbenfürsten aufzunehmen. Vergeblich! Jedweder Kontaktversuch wurde verweigert. Wie konnte es so weit kommen?«
Menschen schrien, jemand rannte Zados auf seiner Flucht fast um. Der Soldat wurde mehrfach angerempelt, bis er einen jungen Mann am Kragen packte und ihn mit lauten Worten zurechtwies. Zados versuchte Nexus auszumachen und erkannte zwischen einigen Ellbogen ein paar grüne Haarbüschel. Der Waldkobold fluchte so laut, dass die Menschen begannen, einen Bogen um ihn zu machen.
Zados schaute den Soldaten streng an. »Genug geredet! Geh und erfülle deine Pflicht! Rette so viele
Weitere Kostenlose Bücher