Erbe des Drachenblutes (German Edition)
sollten noch einige Stunden schlafen. Morgen früh werden wir bei Sonnenaufgang weiterziehen, und mit ein wenig Glück sind wir bald auf dem Hochplateau. Je früher wir in Tempelburg sind, desto lieber ist es mir.«
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Kapitel 4: Der Überfall
Der kommende Tag brachte diesiges Wetter mit sich. Nebelschleier lagen wie Vorboten eines Regenschauers über dem Land und hielten sich über Stunden. Nirvan führte die Gruppe über unwegsames Gelände. Es ging stetig bergauf. Am Nachmittag war klar, dass der erwartete Regen nicht mehr kam. Auch die Nebelbänke lösten sich langsam auf. Mina erkannte zwischen den Bäumen einige Bergspitzen am Horizont, die Zados als die Ausläufer des Schattenkessels bezeichnete. Der Schattenkessel, so erklärte er, sei eine sichelförmige Bergkette, die an das von den Zwergen bewohnte Gebirge grenzte, das man als die Kette des Ohemes kannte und das nach einem ihrer mächtigsten Götter benannt war. Mina dachte an die Geschichten und Filme, die sie kannte, und fragte sich, ob die Zwerge so waren, wie sie sie sich vorstellte. Sie erkundigte sich bei Zados danach, doch er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein.
»Im Schattenkessel selbst leben keine Zwerge«, begann er kurz darauf zögerlich, ohne direkt auf Minas Frage einzugehen.
»Wieso?« Sie blinzelte ihm neugierig entgegen. »Der Schattenkessel und das umliegende Land waren und sind den unterschiedlichsten Kreaturen der Nacht vorbehalten. Kreaturen, die sich nicht der weißen Regentin unterordnen. Solange sie allerdings keinen Ärger machen, werden sie toleriert. Doch wenn sie es übertreiben, die friedliebenden Völker überfallen und sich der schwarzen Magie verschreiben, dann greift die weiße Regentin gnadenlos durch.«
»Was kann sie schon tun, wenn sich ein ganzes Volk gegen sie stellt?«, fragte Mina.
»Unsere Regentin hat die Macht, ein ganzes Volk zusammenzutreiben, zum Hafen der Fügung bringen zu lassen und es dann auf ewig auf den dunklen Kontinent zu verbannen, so wie es einst mit dem Volk der Nachtalbe geschehen ist.«
Mina spürte Besorgnis in sich aufsteigen. Welche Macht musste man besitzen, um ein ganzes Volk zu vertreiben? Sie wollte noch mehr über die Nachtalbe wissen, doch Zados hielt sich zu dem Thema ungewöhnlich bedeckt. Es war ihm sichtlich unangenehm, über seine Vettern, wie er sie auch nannte, zu sprechen. Nach einigen vergeblichen Versuchen ließ Mina das Thema ruhen.
Sie mochte Zados. Seit gut vier Wochen waren sie zusammen unterwegs, und in dieser Zeit hatte sie insbesondere seine Anwesenheit zu schätzen gelernt. Die abendlichen Gespräche mit ihm waren stets kurzweilig und ungemein interessant. Sie verspürte bereits ein Band der Freundschaft zwischen ihnen, das sie nicht genau benennen konnte. Dass sie sich von Anfang an so verstanden hatten, als würden sie sich von klein auf kennen, erinnerte Mina an ihre Freundschaft mit Janice, auch wenn Janice mit Zados so viel gemein hatte wie Nirvan mit dem Waldkobold Nexus.
` Janice – wie mag es ihr wohl gehen?´ Das Herz wurde ihr schwer. Sie dachte fast täglich an die Freundin, mehr noch als an ihre Eltern. Sie alle mussten sich schreckliche Sorgen um sie machen.
So verstrichen die Stunden wie im Fluge, bis sich am frühen Abend die ersten kobaltblauen Linien am Himmel zeigten, die das Ende des Tageslichts ankündigten. Die Umgebung war zugänglicher geworden. Mina erkannte sogar einen Trampelpfad, dem sie folgten. Als die Abenddämmerung die Herrschaft über den Wald errang, wurde klar, dass sie das für heute angestrebte Ziel nicht mehr erreichen würden.
Mina spürte kaum noch ihre Füße. Müde starrte sie Schritt für Schritt auf den Waldboden, ohne ihn wirklich zu sehen. Da endlich blieb Nirvan stehen und blickte abschätzend nach oben. »Heute kommen wir nicht mehr weiter. Wir schlagen hier unser Nachtlager auf.« Eine Mischung aus Enttäuschung und Akzeptanz schwang in seiner Stimme mit. Er legte seine Reisetasche auf den Boden, blickte sich um und zeichnete mit seinen Fingern Muster in die Luft. Dabei murmelte er unverständliche Worte. Als er fertig war, lag eine leicht schimmernde, aber dennoch durchsichtige Kuppel über dem Lagerplatz. Mit offenem Mund blickte Mina nach oben. In den letzten Nächten hatte Nirvan schon öfters auf die gleiche Art einen magischen Schutzschild erschaffen, dennoch faszinierte es sie immer wieder aufs Neue. Der Anblick erinnerte sie an eine Seifenblase, die auf dem Boden aufgeschlagen, aber
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